Anzeige

Partnerwahl Auf der Suche nach der großen Liebe

Mediziner in der Freizeit Autor: Anouschka Wasner

Welche Ansprüche haben Ärztinnen und Ärzte bei der Partnersuche? Welche Ansprüche haben Ärztinnen und Ärzte bei der Partnersuche? © MQ-Illustrations – stock.adobe.com
Anzeige

Wie ehrgeizig sind Sie? Wie viel Sex wünschen Sie sich und wie wichtig ist Ihnen Treue? Wer auf Online-Plattformen Partner oder Partnerin sucht, muss sich hierzu outen. Sind die Neigungen ärztlicher Singles speziell?

Dr. Verena Schwinnt (Name von der Redaktion geändert) ist gerade zum zweiten Mal Mutter geworden. Ihr erster Sohn ist drei Jahre alt, ein knappes Jahr nach der Hochzeit geboren. Ihren Mann hatte Dr. Schwinnt 2013 kennengelernt. Da war sie 27 Jahre alt, mitten im PJ und gerade frisch von einem Partner getrennt. Und im Gegensatz zu ihrem Ex-Partner hatte sie zu diesem Zeitpunkt das Bedürfnis, endlich irgendwo anzukommen.

„Ich fand es schwierig, jemanden im echten Leben zu finden, der gut zu mir passt“, erzählt sie. Nicht nur, dass es manchmal überhaupt schwierig ist, jemanden zu treffen, den man interessant findet. „Es dauert auch lange, bis man vom anderen all das weiß, was entscheidend ist für eine gute Beziehung.“

Sie selbst war sehr an einer festen Beziehung interessiert – keine Selbstverständlichkeit, wenn man sich überwiegend unter Studierenden aufhält. Deswegen hat sie sich schließlich auf einer Online-Dating-Plattform angemeldet. „Da konnte ich einfach in mein Profil reinschreiben ‚Ich suche etwas Langfristiges‘ – und damit implizit sagen: Wenn das bei dir anders ist, brauchen wir uns eigentlich gar nicht miteinander befassen.“ Dieses Konzept funktioniere natürlich nur, wenn die Leute in den Profilen richtige Angaben machen, sagt sie. Ihr Mann und sie seien beide sehr ehrlich gewesen.

Das Portal hatte für sie beide trotzdem nur 50 % Übereinstimmungen gefunden. Den Kontakt zu ihr hergestellt hat dann auch nicht das Programm, sondern ihr heutiger Mann. Er hatte sich von einem Foto von ihr beim Wandern angesprochen gefühlt. „Wir haben uns eine Weile lange E-Mails geschrieben und dann auch bald das erste Mal getroffen. Und ja: Es war tatsächlich Liebe auf den ersten Blick“, erzählt Dr. Schwinnt. Ob sie zusammengekommen sind aufgrund des Portals – oder vielleicht sogar trotz dessen Rechenleistung, weiß sie nicht.

Karriere oder Partnerschaft – ist die Formel so einfach?

Vor ihrer Mutterzeit hat Dr. Schwinnt in einem Klinikum in Süddeutschland gearbeitet und dort ihren Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe gemacht. Viele Ärztinnen und Ärzte dort seien in langen Beziehungen gewesen. „Aber es gab auch einige Dauersingles. Gerade Oberärzte, die in Richtung Karriere gehen, scheinen mir überdurchschnittlich viel und über längere Zeit alleine zu sein.“ Die Gründe dafür lägen auf der Hand: „Als ich Vollzeit gearbeitet habe und viele Dienste hatte, blieb mir auch kaum Zeit, irgendjemanden kennenzulernen.“

In die gleiche Richtung weisen auch Daten der Online-Partnervermittlung Parship.1 Dort werden die Kandidaten gefragt, warum sie glauben, bislang noch nicht den richtigen Partner gefunden zu haben. Unter den Neuanmeldungen im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 31. Mai 2021 antworteten etwas mehr als 8 % der Frauen darauf, dass sie zu wenig Zeit und Gelegenheit hatten, tiefere Kontakte zu knüpfen. Bei den Ärztinnen waren es rund 14 %. Das mag keine riesige Zahl sein, aber eben doch ein Hinweis.

Und nicht nur die Zeit könnte ein Problem sein. Dr. Schwinnt zum Beispiel hatte bei ihrer Suche auf dem Portal durchaus Gelegenheit: Einige der Profile anderer Männer zeigten mehr Übereinstimmungen mit ihr als das ihres heutigen Mannes. Mit einem der Kandidaten hätte sie sich auch fast mal getroffen. „Aber es hat dann doch nicht gereicht.“ Die Gemeinsamkeiten seien einfach nicht groß genug gewesen. Bei ihrem Mann, einem Biologen, sei es dann die Liebe zur Natur gewesen, die ein gemeinsames Band hergestellt habe. Vielleicht habe sie die anderen Männer deswegen oft nicht interessant gefunden und teils auch ein bisschen plump. „Ich hatte ja auch ein paar Ausschlusskriterien, an denen es kein Vorbei gab.“

Ärztinnen auf Partnersuche...

  • möchten eher regelmäßige Sexualität leben (37 vs. 32 %1)
  • finden gegenseitige Unterstützung und gemeinsam durch Krisen gehen wichtiger (36 vs. 30 %2)
  • legen mehr Wert auf gemeinsame Interessen und einen gemeinsamen Freundeskreis (25 vs. 16 %2)
  • legen größeren Wert darauf, was ihr Partner beruflich macht (32 vs. 19 %1), aber weniger ob er in gesicherten finanziellen Verhältnissen lebt (17 vs. 26 %1)
  • finden Ehrgeiz wichtiger (29 vs.21 %2)
  • finden Wissbegierde wichtiger (40 vs.30 %2)
  • sind weniger genussorientiert (42 % vs. 47 %2)
  • sind anspruchsvoller ihrem Partner gegenüber (39 vs. 34 %1)
... als andere Frauen

Mit dieser konsequenten Haltung steht Dr. Schwinnt nicht alleine da: Annähernd 40 % der Ärztinnen nennen auf die Frage, warum sie Mr. Right noch nicht gefunden haben, ihre hohen Ansprüche an ihren potenziellen Partner als Grund. Bei Nicht-Ärztinnen sind es nur 34 %. Männliche Mediziner scheinen zwar bescheidener zu sein – nur 32 % geben an, sehr anspruchsvoll in Bezug auf die Partnerin zu sein –, damit liegen die Kollegen aber immer noch satte 10 Prozentpunkte über dem „Normalmann“ (22 %).1

Der Arztberuf ist mit einem hohen Status konnotiert

Prof. Dr. Wera Aretz ist Wirtschaftspsychologin an der Hochschule Fresenius für Wirtschaft & Medien in Köln und beschäftigt sich schon seit Langem mit Online-Dating-Verhalten. Ihrer Erfahrung nach ist ein einzelner Dienst mit seinen Ergebnissen nicht wirklich repräsentativ, ein anderer Dienst könne genausogut zu anderen Ergebnissen kommen. Außerdem habe ein Landarzt sicherlich andere Hintergründe als ein Chirurg an der Uniklinik. Trotzdem seien aber beide nun mal Ärzte: „Die tägliche Tätigkeit und die tägliche Erfahrung nehmen Einfluss auf das Verhalten eines Menschen.“

Ärzte auf Partnersuche...

  • finden Treue weniger wichtig (26 vs. 31 %2)
  • legen mehr Wert auf Attraktivität, Zärtlichkeit und Sex (55 vs. 45 %2 bzw. 48 vs.42 %1)
  • möchten in einer Partnerschaft weniger „alles immer gleich auf die Goldwaage legen“ (36 % vs. 45 %1)
  • finden Idealismus wichtiger (15 vs. 9 %2)
  • finden Fürsorglichkeit wichtiger (33 % vs.29 %2)
  • sind mehr ästhetisch orientiert (30 vs.20 %2)
  • sind deutlich anspruchsvoller ihrer Partnerin gegenüber (32 vs. 22 %1)
... als andere Männer

Der Arztberuf sei auch heute noch in der Gesellschaft mit einem hohen Status konnotiert. „Das aktiviert Stereotypen, die sich darauf auswirken können, welche Anforderungen man an die Partnerschaft stellt.“ Es sei vorstellbar, dass bestimmte Vorlieben und Ansprüche an den Partner bestehen, weil man – bewusst oder unbewusst – gesellschaftlichen Normen entsprechen möchte. Möglich ist auch, dass von dieser etablierten Position ausgehend ein genereller Anspruch abgeleitet wird. Von diesem kann sich dann zum Beispiel die Überzeugung ableiten, man habe „ein paar mehr Freiheiten“ bei der Partnerwahl als andere. Das Leistungsprinzip „Wer viel leistet, dem steht auch mehr zu“ unterstützt diese Haltung möglicherweise. „Man findet einfach unterschiedliche Störungsbilder in den unterschiedlichen Berufen“, kommentiert die Psychologin das ganz unaufgeregt. Schließlich würden Ärzte ja tatsächlich gesellschaftlich sehr hoch gehalten.

Berufsrolle wird nicht bei Feierabend abgelegt

Auf der anderen Seite müsse man auch die überdurchschnittlich gro­ßen psychischen Belastungen von Ärztinnen und Ärzten bedenken. Sie müssen aufgrund ihres Berufes verschiedene Rollen und Anforderungen erfüllen. Dazu gehört, so die Psychologin, z.B. die ethisch-moralische Berufsrolle, mit der sie im Dienste der Gemeinschaft stehen, genauso wie der hohe Anspruch an Objektivität und Empathie. Auch das kann sich auf die Partnerwahl auswirken. „Wenn ich eine Berufsrolle ausübe, lege ich die ja nicht um 19 Uhr, wenn ich durch meine Wohungstür trete, ad acta.“ Hohe Ansprüche, große Verantwortung, ständiger Zeitdruck – oft nimmt der Beruf bei Ärztinnen und Ärzten einen so großen Stellenwert ein, dass es dem Einzelnen schwerfällt, den eigenen Bedürfnissen nachzukommen. Nicht zufällig sind Sucht und Suizidgefahr auch bei Ärztinnen und Ärzten ein Thema. Das Bedürfnis nach emotionaler Geborgenheit, Zärtlichkeit und regelmäßiger Sexualität ist bei Ärztinnen und Ärzten dann auch erkennbar stärker ausgeprägt als bei anderen, so die Daten.1,2 Klar: Auf der Suche nach Kompensation sind private Orte von Geborgenheit, Ruhe und Spaß besonders wichtig, erklärt Prof. Aretz. Zerstreuung und Lusterfahrung wird von Ärztinnen und Ärzten ansonsten insbesondere ästhetisch und intellektuell stimuliert. Sehen sich andere in ihrer Freizeit eher zu Autos, Kochen und Fußball hingezogen, favorisieren Ärztinnen und Ärzte Literatur, Theater und Museen.2 Das liege sicher am Bildungsniveau und an der primären und sekundä­ren Sozialisation, so Prof. Aretz, wahrscheinlich aber auch an der gesellschaftlichen Rolle. Möglicherweise ziehen Ärztinnen wie Ärzte deswegen auch Städte als Lebensmittelpunkt vor: Viele kulturelle Angebote lassen sich auf dem Land nur schwer finden.

Ärztinnen und Ärzte auf Partnersuche...

  • suchen genauso gegenseitiges Vertrauen, Offenheit und Ehrlichkeit
  • suchen mehr nach emotionaler Geborgenheit
  • finden es wichtiger, sich viel Raum in der Partnerschaft zu geben
  • legen größeren Wert darauf, dass der Freundeskreis die Partnerwahl gut findet
  • gehen weniger aus, dafür mehr ins Theater, Ballett oder Oper
  • Lesen deutlich mehr, gucken dafür weniger fern
  • sind mehr für Natur, Sport und Reisen zu begeistern, speziell für Wandern und Wintersport
  • interessieren sich weniger für Fußball, Autos und Kochen, dafür mehr für Kultur und Geschichte
  • sind weniger aktiv in Vereinen und im Ehrenamt
  • finden Sportlichkeit in ihrem Leben wichtiger
...als andere

Mit Schüchternheit oder Hemmungen haben übrigens die wenigsten im ärztlichen Beruf zu kämpfen – nur rund 15 % der Ärzte nennen diese Eigenschaften ein Handicap auf dem Weg zur richtigen Partnerin. Bei Nicht-Medizinern sind es dagegen annähernd 25 % der Männer.1 Selbstbewusstsein bildet sich auch durch die ausgeübte Berufsrolle aus“, erklärt Prof. Aretz. „Ärzte sind es gewohnt, dass man ihnen zuhört bzw. oft sogar an den Lippen hängt. Sie haben relativ selten Widerspruch zu erwarten und werden so quasi aus ihrer Funktion heraus selbstbewusst.“ Frauen – Medizinerinnen oder nicht – empfinden diesen Daten zufolge Schüchternheit sogar noch weniger problematisch bei der Partnerwahl. Das kann Zufall sein, sagt die Psychologin – vielleicht aber auch die Auswirkung einer oft aktiveren Sozialkompetenz bei Frauen. Bleibt noch die Frage aller Fragen: Passen Ärztinnen und Ärzte eigentlich zusammen? Sie teilen viele Interessen, den Wunsch nach Raum in der Partnerschaft und vor allen Dingen das Wissen um die hohen Anforderungen im Beruf des anderen. Das könnte eine gute Grundlage sein. Gleichzeitig sind aber zum Beispiel die Werte, Motive und Ziele, die das Leben bestimmen, bei Ärztinnen und Ärzten häufig unterschiedlich. Es scheint, als sei bei Frauen mehr Ehrgeiz und Wissbegierde notwendig, um einen Beruf mit diesem hohem Ansehen ergreifen zu können, während Männer beruflich von Werten wie „Idealismus“ und „Fürsorglichkeit“ getragen werden.2 Inwiefern diese Unterschiede befruchtend oder eher konfliktbeladen sind – das hängt wohl von einer ganzen Reihe anderer Faktoren ab, die sich eben nicht so leicht abfragen lassen. Genauso unwägbar auch die Frage nach den Erfolgsaussichten im Netz: Ob jemand bei seiner Suche auf einer Plattform einen Treffer landet oder nicht, ist immer Glücksache. Schließlich hänge alles davon ab, wer wann wo unterwegs ist, erkärt Prof. Aretz. Das sieht auch Dr. Schwinnt so. Und dankt dem Schicksal, dass ihr Mann und sie zufällig gleichzeitig auf der gleichen Plattform unterwegs waren.

Quellen:
1. Auswertung der Online-Partnervermittlung Parship der Neuanmeldungen (Premiummitglieder) im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Mai 2021. Stichgruppengröße 818 Ärztinnen und Ärzte, Vergleichsgruppe etwa 50 % Akademikerinnen und Akademiker (alle Angaben von Parship).
2. Auswertung der Online-Partnervermittlung ElitePartner der Neuanmeldungen (Premiummitglieder) im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Mai 2021. Stichgruppengröße 608 Ärztinnen und Ärzte, Vergleichsgruppe etwa 70 % Akademierinnen und Akademiker (alle Angaben von ElitePartner).

Medical-Tribune-Recherche

Anzeige