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Beziehungskisten machen mich echt ratlos

Autor: Dr. Frauke Höllering

Einsame Herzen zusammenführen liegt mir nicht, so Dr. Frauke Höllering. Einsame Herzen zusammenführen liegt mir nicht, so Dr. Frauke Höllering. © fotolia/olly
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Das Thema in unserer Praxiskolumne: Liebesbeziehungen auf dem Prüfstand.

Sie sah ganz schön verhauen aus: Das Gesicht zierten Prellungen und Schrammen und auch am Körper fanden sich allerlei Hämatome. "Da haben die Jungs aber ganz schön zugeschlagen!", konstatierte ich mit unterdrücktem Zorn. "Das waren keine Jungs", sagte die junge Frau. "Das waren Mädchen! Sie haben gesagt, ich solle mich meinem Exfreund nie mehr nähern, sonst gäbe es noch mehr Schläge! Dabei will ich gar nichts mehr von dem …" Kopfschüttelnd dokumentierte ich die Verletzungen. "Kannten Sie die Mädchen denn?", fragte ich neugierig. "War eine davon seine neue Freundin?" Sie schüttelte den Kopf: "Er hat keine neue Freundin und ich kannte keine der beiden."

Ich hatte einige Tage Zeit, über die rauen Sitten der Jugend nachzudenken, als ein junger Patient von mir auftauchte. Sein Krankheitsbild blieb nebulös, sodass ich auch die psychosomatische Schiene abklopfte. Ich fragte nach Stress, Ängsten, Mobbing oder Stalking, und siehe da: "Meine Exfreundin stalkt mich seit einem Jahr!", bekannte er. "Das geht mir ganz schön an die Nieren. Ich habe mich vor einem Jahr von ihr getrennt, aber bekomme weder Ruhe vor ihr noch vor ihrer Familie. Stellen Sie sich vor, jetzt ist sie zusammengeschlagen worden! Ihre Familie bedroht mich, weil ich das arrangiert haben soll. Aber das habe ich nicht! Ich will doch einfach nur meine Ruhe und nicht noch neuen Ärger."

»Exfreund gestalkt und von Mädchen verprügelt«

Nun wusste der junge Mann nicht, dass ich seine Expartnerin vor einigen Wochen in Vertretung gesehen hatte. Ich schaute ihn prüfend an. Ein paar Nachfragen später hatte er mir so viel erzählt, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass die Tracht Prügel tatsächlich in seinem Namen verabreicht worden war. Hätte er davon sonst so freigiebig berichtet? Ich kannte ihn eher als besonnen; die junge Dame war mir bis zu unserem Zusammentreffen unbekannt. Wer war schuld? Ich war froh, dieser Frage nicht nachgehen zu müssen und konzentrierte mich darauf, mit keinem Wort zu verraten, dass ich auch die andere Seite der Medaille kannte.

Einige Wochen zuvor hatte ich eine andere junge Frau gesehen, deren Zusammenbruch ich im letzten Jahr hilflos mit ansehen musste. Sie wurde so brutal von ihrem Exfreund verfolgt und bedroht, dass sie nun ernsthaft einen Umzug in Erwägung zog. Sie schlief kaum noch, aß viel zu wenig und verging in Sorge um ihre Eltern, die den ganzen Zorn des Verlassenen würden tragen müssen, wenn sie von der Bildfläche verschwände. Gerichtliche Verfügungen waren offensichtlich ohne Wirkung geblieben. Wie konnte ich ihr helfen? Warum verderben Menschen ihr Leben und das anderer, um jemanden zu bekommen, der sie längst verabscheut?

Je mehr ich über Beziehungen erfahre, umso ratloser bin ich. Da war die junge Frau, die jahrelang eine Liebesbeziehung zu einem verheirateten Mann pflegte. Wie oft hatte ich ihr zugeredet, sich zu trennen. Der Mann genoss heimische Geborgenheit und die hübsche Geliebte. Nie würde er sich trennen! Dann bekam sie ein Baby, der Liebhaber kam ins Schwanken, aber bekannte sich doch nicht zu ihr. Erst schmerzhafte Monate später zog sie den Schlussstrich. Nun versucht sie, sich in der Single-Mama-Welt zu etablieren. Sie ist jung, ausnehmend hübsch und liebenswert. Warum verfiel sie ausgerechnet diesem Mann? Warum findet sie keinen anderen?

Ich hätte vielleicht einen für sie. Bodenständig, gut aussehend, verlässlich. Seine Frau verließ ihn, weil ein anderer ihr Herz höher schlagen ließ. Er versucht verzweifelt, Halt in seinem rutschenden Leben zu finden, und versteht die Welt nicht mehr. Vielleicht sollte ich die beiden irgendwann einander vorstellen?

»Partnerbörse Dr. Höllering ging nach hinten los«

Schon oft hatte ich schmunzelnd gedacht, dass ich nebenbei eine Partnerschaftsbörse führen könnte. Schließlich kenne ich manche Kandidaten richtig gut! Wäre das nichts, um die mageren Praxiseinnahmen etwas aufzubessern?

Aber die Realität hat mich schon Jahre zuvor eines Besseren belehrt. Einmal habe ich mich dazu hinreißen lassen, einer agilen alten Dame, die vor Jahren verwitwet und daher zu oft alleine war, einen potenziellen Wandergefährten vorzuschlagen. Auch er hatte sich oft bei mir über seine Einsamkeit beklagt und liebte die Natur; seine Telefonnummer durfte ich gern weitergeben. Ich weiß nicht, was zwischen den beiden vorgefallen ist.

Kurz danach verlor ich die Patientin und er hüllt sich über diese Geschichte in Schweigen. Darum habe ich zwar eine große virtuelle Kartei, aber keinen Mumm dazu, weitere einsame Herzen zusammenzuführen. Das ist angesichts der möglichen Dramen auch ganz gut so!

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