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Bin ich schuldig oder nicht?

Autor: Cornelia Kolbeck, Foto: fotolia

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Das Antikorruptionsgesetz lässt so manchen Arzt inzwischen an der Rechtmäßigkeit seiner Verträge zweifeln. Selbst wer bisher glaubte, gesetzeskonform zu handeln, ist sich mittlerweile nicht mehr sicher. Rechtsanwalt Oliver Ebert kennt die Nöte der niedergelassenen Mediziner.

"Ärzte wünschen eine klare Aussage, ob sie sich mit bestimmten Handlungsweisen strafbar machen oder nicht", berichtet der Stuttgarter Jurist. Das Problem an der Sache ist aber, erklärt er im Gespräch mit Medical Tribune, dass es keine einfachen "Ja/Nein"-Kriterien gibt, einen Sachverhalt unter strafrecht­lichen Gesichtspunkten zu beurteilen, es komme immer auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles an.

"Die bloße Annahme eines Vorteils ist allein noch nicht strafbar; entscheidend ist, zu welchem Zweck und in welchem Kontext eine solche Zuwendung erfolgt", erklärt Ebert. So sei beispielsweise die Zahlung bzw. Annahme eines üblichen Referentenhonorars grundsätzlich unproblematisch.

Auch der Ehepartner darf nicht begünstigt werden

Werde ein Arzt von einem Unternehmen aber sehr häufig als Referent gebucht und erziele er damit nicht unerhebliche Jahreseinnahmen, dann würden die damit möglicherweise verbundenen Abhängigkeiten unter Umständen anders bewertet werden müssen. "Im Zweifel muss der Arzt glaubhaft erklären können, dass die Zuwendung, also der Vorteil, nicht mit seinen Verordnungsentscheidungen zusammenhängt", sagt Ebert.

Laut Gesetz sind sowohl materielle Zuwendungen wie Zahlungen, Kongresseinladungen, Geschenke, Provisionen, Berater-/Referentenverträge als Vorteile anzusehen, aber auch ein immaterieller Nutzen wie die Steigerung der Bekanntheit, eine bessere Marktdurchdringung oder Ehrenpreise. Es gehe dabei übrigens nicht nur darum, dass sich der Arzt nicht bereichern darf, auch Dritte wie Ehepartner bzw. die von Familienangehörigen betriebenen Firmen dürften nicht begünstigt werden, so der Jurist.

Gefragt, ob Ärzte auf der sicheren Seite sind, wenn sich der Kooperationspartner einem Kodex für eine ethisch einwandfreie Zusammenarbeit mit Ärzten unterwirft, antwortet er: "Nicht unbedingt, denn das Unternehmen muss diese Regeln ja im konkreten Fall auch einhalten." Die forschenden Pharmaunternehmen hätten sich zum Beispiel freiwillig dem FSA-Kodex unterworfen, trotzdem seien immer wieder Verstöße gegen diese Selbstverpflichtungen zu beobachten.

Der Rechtsanwalt weist zudem darauf hin, dass das Antikorruptionsgesetz nicht nur den Arzt in einer Praxis betrifft, sondern alle Gesundheitsfachberufe, also auch MTA, PTA, Diätassistenten oder auch Diabetesberaterinnen. "Wenn diese Personen in Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Zuwendungen bekommen, sind sie möglicherweise auch Adressat für einen Straftatbestand", so Ebert. So sei es nicht unproblematisch, wenn Praxispersonal – z.B. Diabetesberaterinnen – einerseits nebenberuflich für Pharmaunternehmen tätig sei und andererseits an Verordnungsentscheidungen in der Praxis mitwirke.

Tatnachweis wird vermutlich schwer zu führen sein

"Staatsanwälte sollen nach allgemeinen Grundsätzen und objektiv ermitteln", sagte Ebert. Er will aber nicht ausschließen, dass Staatsanwälte bei manchen Verdachtsfällen mit besonderer Energie nachforschen. "Ich gehe allerdings davon aus, dass es eher selten zur Verurteilung von Ärzten kommt. Bei einer geschickten Verteidigungsstrategie wird ein Tatnachweis schwer zu führen sein."

Dass Patienten Ärzte wegen Verdacht auf Korruption anzeigen, sieht Ebert eher nicht, wahrscheinlicher sei es, dass Ärzte in Zusammenhang mit Ermittlungen gegen Unternehmen in den Fokus gerieten. Wenn die Ermittler an der Praxistür stehen, so sein Rat, sollte der Arzt zunächst keine Aussagen machen, sondern umgehend die Hilfe eines spezialisierten Anwalts in Anspruch nehmen.

Angesichts der mit einer Strafverfolgung verbundenen Risiken sollte dies ein auf Strafrecht bzw. Antikorruptionsrecht spezialisierter Anwalt sein. Ohne richterlichen Beschluss bzw. förmliche Beschlagnahmeanordnung sollten auch keinesfalls Patientenakten oder Unterlagen an die Ermittler herausgegeben werden.


Quelle: Medical-Tribune-Recherche

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