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Bürokratieindex: Fast 60 Tage pro Jahr fürs Erfüllen von Informationspflichten

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Ärzte wünschen sich mehr Zeit für ihre Patienten und weniger Schreibtischarbeit. Ärzte wünschen sich mehr Zeit für ihre Patienten und weniger Schreibtischarbeit. © Fotolia/vchalup
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Die zeitliche Belastung von Ärzten und Psychotherapeuten ist hinsichtlich der zu erfüllenden Informationspflichten gegenüber dem Vorjahr um 0,6 % weiter leicht angestiegen – trotz Verbesserungen in einigen Bereichen. Das belegt der Bürokratieindex 2018. Das heißt: Weniger Bürokratie bleibt Wunschdenken.

Die gemeinsame Selbstverwaltung legt den Praxen inzwischen 395 Informationspflichten auf. 16 neue Pflichten sind in diesem Jahr hinzugekommen. Gerade einmal drei sind weggefallen, obwohl die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die KVen mit großem Engagement versuchen, hier Erleichterungen zu schaffen.

Somit fallen 2018 knapp 323 000 Stunden Bürokratieaufwand mehr an als im Vorjahr, berichtete Koautor Professor Dr. Volker Wittberg, Prorektor für Forschung und Entwicklung an der Fachhochschule des Mittelstands, Bielefeld. Das macht rund 54,49 Millionen Nettoarbeitsstunden aus und entspricht ca. 60 Arbeitstagen. Nur bei etwa einem Viertel der Aufgaben kann der Arzt oder Psychotherapeut diese von einer Medizinischen Fachangestellten übernehmen lassen. Die KBV betrachtet diese Entwicklung in der gemeinsamen Selbstverwaltung mit Sorge, zumal auch noch die Pflichten aus Bundesvorgaben zu erfüllen sind. „Ärzte wünschen sich mehr Zeit für ihre Patienten und weniger Zeit am Schreibtisch“, erklärte Dr. Thomas Kriedel, Mitglied des Vorstandes der KBV. Natürlich gebe es Pflichten, auf die nicht verzichtet werden könne, so im Bereich der Qualitätssicherung. Aber: „Es gibt auch bürokratische Anforderungen, deren Nutzen und Aufwand in keinem sinnvollen Verhältnis stehen.“ Konkret nannte Dr. Kriedel die formfreien Anfragen der Krankenkassen auf Platz 8 der am häufigsten erfüllten Informationspflichten – bezogen auf die Nettostunden (12,6 Mio. Fälle; 2,3 Mio. Stunden). Ein Beispiel: Der Arzt hat für Patient Müller eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 28. November ausgestellt. Am 26. November, also zwei Tage vor Ablauf der AU-Bescheinigung, erhält die Praxis eine formlose Anfrage der Kasse, wann Herr Müller wieder arbeitsfähig ist.

Überweisungen auf Platz 1 der häufigsten Pflichten

Den größten Aufwand machen in den Praxen nach wie vor Überweisungen (200,6 Mio. Fälle; 6 Mio. Stunden) aus. Die Auskünfte an Krankenkassen und Medizinischen Dienst auf vereinbarten Vordrucken belegen Platz 2 der Belastungsliste (26,6 Mio. Fälle; 5,7 Mio. Stunden). Den dritten Platz nimmt die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit auf Muster 1 und die Prüfung der genauen Umstände und Ausnahmetatbestände ein (80,2 Mio. Fälle; 4,9 Mio. Stunden) ein. Eine starke Entlastung war laut Bürokratieindex (BIX) bei der Informationspflicht „Erhebung von Daten im Ersatzverfahren“ bei Patienten, die ohne elektronische Gesundheitskarte in die Praxis kommen, sowie durch den Wegfall der „Überweisung zum Durchgangsarzt“ und des „Behandlungsausweises“ für Opiatabhängige zu erkennen.

Pflichten und steigende Fallzahlen sind das Problem

Prof. Wittberg machte zugleich deutlich, dass die Zunahme der Bürokratie vornehmlich auf den Anstieg der jährlichen Fallzahlen bereits bestehender Informationspflichten zurückzuführen ist, verursacht durch die demografische Entwicklung. So steigt die Zahl der Verordnungen für häusliche Krankenpflege, für Heilmittel und zur Krankenbeförderung. Zugleich verursachen mehr Menschen im Arbeitsprozess auch mehr Krankschreibungen.

25 % weniger Bürokratie schafft 4000 Arztstellen

Dr. Kriedel erinnerte an die KBV-Forderung eines verbindlichen – gesetzlichen – Abbauziels von 25 % nach dem Vorbild der Bundesregierung beim Bürokratiekostenindex der Wirtschaft. „Ein solcher Abbau entspricht einer Summe von insgesamt rund 13 Millionen Stunden pro Jahr oder 15 Arbeitstagen je Praxis“, rechnete Dr. Kriedel vor. Diese Zeit stünde zusätzlich für die Versorgung der Patienten zur Verfügung. „Letztlich wäre dies gleichzusetzen mit einem Plus von über 4000 Ärzten.“ Die Umsetzung sei jedoch nicht vom KV-System alleine zu bewerkstelligen. Die Kassen müssten mitziehen.
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