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Bundesrechnungshof kritisiert Krankenkassenfusionen ohne Spareffekt

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

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Mit schlechten Mietverträgen verballern gesetzliche Krankenkassen Millionenbeträge. Und die Fusionen bleiben ihre wirtschaftliche Rechtfertigung schuldig, stellt der Bundesrechnungshof fest.

Immobilienmietverträge von sieben gesetzlichen Krankenkassen hat der Bundesrechnungshof untersucht und festgestellt, dass die für ihre Büros zwischen 14,30 und 15,80 Euro/m2 gezahlt haben – bei ortsüblichen Mieten von 7,30 bis 12,50 Euro/m2. Zudem gehen die Flächen z.T. weit über den eigenen Bedarf hinaus.

So mietete z.B. eine Krankenkasse 1998 bis 2003 insgesamt 32 000 m2 in drei noch zu errichtenden Gebäuden an. Sie selbst nutzte 13 459 m2. Die Mietverträge liefen über 13, 15 und 20 Jahre. Aus Untervermietungen mit geringeren Einnahmen wurde ein Teil der Miete refinanziert. Die übrigen Flächen standen leer. Finanzieller Nachteil bis Ende 2010: mindestens 6 Mio. Euro.

Eine andere Kasse verpflichtete sich, ab 2011 ein noch zu errichtendes Gebäude mit einer Bürofläche von 18 933 m2 zu mieten. Ihr Bedarf betrug aber nur 8000 m². Die Miete lag laut Aufsicht deutlich über der für Büroflächen ortsüblichen Miete.
Zwei weitere Kassen machten mit zu hohen Mieten Verluste von 2,4 Mio. Euro bzw.  5,7 Mio. Euro.

Der Bundesrechnungshof fordert, die Kassen gesetzlich zu verpflichten, Mietvertragsentwürfe den Aufsichtsbehörden vorzulegen und sich Abschluss oder Änderung genehmigen zu lassen. Nur in Einzelfällen folgten die Krankenkassen der „Bitte“ des Bundesversicherungsamtes, es unter Umständen vor Abschluss eines Mietvertrages zu unterrichten, schreiben die Prüfer der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes in einem aktuellen Bericht.

Aufsicht ohne Durchblick, mehr Geld für die Chefs

Allerdings: Einen effizienzsteigernden Einfluss hatten die Aufsichtsbehörden auch nicht bei den GKV-Fusionen. Sie genehmigten diese, „ohne dass die wirtschaftlichen Folgen transparent waren“, kritisiert der Bundesrechnungshof. Er rät, Zusammenschlüsse nur zu genehmigen, wenn die fusionsbereiten Kassen „nachweisen können, dass eine wirtschaftliche und leistungsfähige neue Krankenkasse entsteht“. Das BMG soll dafür die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen.

1992 bis 2010 ging die Zahl der Krankenkassen durch Fusionen von 1397 auf 160 zurück. Der Bundesrechnungshof prüfte für mehr als ein Viertel der 2007 bis 2009 vollzogenen Fusionen die wirtschaftlichen Auswirkungen. Mit den Verschmelzungen sollten Leistungs- und Verwaltungsausgaben einge­spart werden – was oft nicht gelang. Bei den Ausgaben für Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln konnten die Kassen nach der Fusion nur in wenigen Fällen günstigere Konditionen aushandeln. In einem Fall wurden bei Arzneien 65 000 Euro gespart – bei jährlichen Leistungsausgaben von 100 Mio. Euro!

Dafür stiegen bei fast allen untersuchten Fusionen die Verwaltungsausgaben im Jahr der Vereinigung an, im Einzelfall um bis zu 18 %. Und auch in den ersten drei Folgejahren sanken die Verwaltungsausgaben nicht. Der Personalbestand blieb nach den Fusionen unverändert, weil Tarifverträge fusionsbedingte Kündigungen ausschlossen.

Bei der Hälfte der vom Bundesrechnungshof untersuchten Fusio­nen erhöhten sich die Vorstandsvergütungen um bis zu 25 %! Eine Kasse gewährte Vorständen, die nach der Fusion aus ihrem Amt ausschieden, Abfindungen in Millionenhöhe. Eine andere beauftragte eine Unternehmensberatung, sie bei mehreren Fusionsvorhaben zu unterstützen. Dafür bezahlte sie 14,3 Mio. Euro.

Fusionskonzepte mit wenig Aussagekraft

Der Gesamteindruck des Bundesrechnungshofs ist: „Die den Fusio­nen zugrunde liegenden Konzepte waren meist lückenhaft, uneinheitlich und wenig aussagekräftig. Angaben zu Auswirkungen auf Organisation, Personal und Finanzen fehlten überwiegend.“

Das Bundesgesundheitsministerium hält dagegen die Aussagen des Rechnungshofs für nicht repräsentativ. Innerhalb von knapp drei Jahren könnten sich die mittel- bis langfristigen Wirkungen einer Vereinigung von Krankenkassen kaum zeigen. Allerdings räumt  das BMG ein, dass es keinen Überblick hat, um die Auswirkungen der Fusionen zu bewerten.

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