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Bundesregierung setzt große Hoffnung in neues Qualitätsinstitut

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

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Dass die Richtung der Qualitätsoffensive der Regierung im Gesundheitswesen stimmt, bestätigten Experten auf dem Hauptstadtkongress. An der raschen Umsetzbarkeit all der im Ko­alitionsvertrag erwähnten Vorhaben wird gezweifelt.

 

Große Hoffnung wird in die Arbeit des neuen Qualitätsinstituts gesetzt. Es soll "sektorübergreifend Kriterien entwickeln und sich damit befassen, wie wir die Qualität in den Behandlungsabläufen sicherstellen", erläuterte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU).

Ziel ist es, Behandlungsergebnisse transparent und vergleichbar zu machen; an den Ergebnissen sollen sich die Player später bei der Krankenhausvergütung und -planung orientieren.

Qualitätsparameter schwierig zu bestimmen

Doch es wird schwierig werden, präzise Qualitätsparameter zu bestimmen. Denn was ist ein gutes Ergebnis wert, wenn die Indikation falsch war, wenn z.B. ein Knie operiert wurde, obwohl auch eine konservative Behandlung möglich gewesen wäre?

Dr. Regina Klakow-Franck, unparteiisches Mitglied im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), ist sich sicher, dass die Indikationsstellung eine "zentrale Kategorie" bei der Qualitätsbewertung werden wird.

Sie meint: Es gibt kein Problem bei der Qualität der einzelnen Leistung, sondern bei der Menge. Jedoch müsse dann die Vergütung auch dahin gehend angepasst werden, dass sich "ein Eingriff lohnt, wenn er nicht gemacht wird". 

Schlechte Qualität müsse aus der Versorgung heraus, forderte Uwe Deh, Geschäftsführender Vorstand des AOK-Bundesverbandes. Zwei bis drei Mamma-Ca-Operationen pro Jahr in einem Kreiskrankenhaus seien ein schlechtes Angebot – auch wenn der Operateur von der Universität gekommen sei und dort 100-mal im Jahr operiert habe.

Probleme mit der Versorgung durch fehlende Hausärzte

Für die geplanten Krankenhaus-Vergleichslisten mahnte Professor Dr. Joachim Szecsenyi vom AQUA-Institut "faire Vergleiche" an. "Transparenz, wenn sie denn einmal da ist, hat eine gewisse Sogwirkung", sagte der Allgemeinmediziner mit dem beispielhaften Verweis auf die Plattform Perinatalzentren.org, die sich großen Interesses erfreut.

"In keinem Koalitionsvertrag hat so viel über Qualität gestanden wie im jetzigen", bemerkte Professor Dr. Ferdinand M. Gerlach, Allgemeinmediziner und Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Fraglich sei jedoch die Machbarkeit.

Prof. Gerlach nannte Zahlen zur hausärztlichen Versorgung im ländlichen Raum, die sich unweigerlich auf die Versorgungsqualität niederschlagen werden: Nur jeder zweite Hausarzt, der in diesem Jahr in den Ruhestand geht, findet einen Nachfolger.

Nur 10% der Medizinstudenten entscheiden sich für die Allgemeinmedizin

Doch 90 % der Medizinstudenten machen einen Abschluss als Spezialisten und nur 10 % werden Facharzt für Allgemeinmedizin. Dabei sind doppelt so viele nötig. "Da stellt sich nicht mehr die Frage, wie wir Qualität sichern können, sondern wie wir Daseinsvorsorge betreiben", so Prof. Gerlach.

Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Bündnis 90/Die Grünen-Fraktion, äußerte sich auf dem Hauptstadtkongress skeptisch zu einer schnellen Umsetzung der schwarz-roten Qualitätsoffensive. Diese werde mit dem Zusatzbeitragssatz und dem damit verbundenen Preiswettbewerb konterkariert.

In den nächsten drei bis vier Jahren würden die Kassen damit beschäftigt sein, einen niedrigen Zusatzbeitrag zu erheben. "Sie werden deshalb sehr knauserig mit ihren Leistungsausgaben umgehen."

Kann der G-BA die Aufgaben überhaupt stemmen?

Die Errichtung eines Qualitätsinstitutes begrüßte die Grünen-Sprecherin. Sie befürchtet jedoch ein langsam in Gang kommendes Arbeiten. Auch zur Leistungsfähigkeit des G-BA äußerte sie sich zurückhaltend. Der Koalitionsvertrag sehe neun Blöcke mit neuen Aufgaben für das Gremium vor. Da bestehe "die Sorge, ob sie das stemmen können".

"Qualität ist nun mal nicht mit einem Fingerschnippen zu erreichen", konterte Hilde Mattheis, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Der G-BA trage hier eine große Verantwortung.

Dass es ein Nadelöhr gibt, sei der Regierung bewusst gewesen, als sie die vielen Aufgaben der Selbstverwaltung übertragen habe. Mattheis zeigte sich offen, über eine Überfrachtung des G-BA zu diskutieren. Denkbar sind nach ihren Ausführungen Fris­ten zur Auftragserledigung, damit nicht eine Bank im G-BA Entscheidungen blockieren kann.

Spahn: "Der G-BA hat wahnsinnig viel geleistet"

Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, erinnerte an die dreiseitigen Verträge zum ambulanten Operieren, die bis zur Unterzeichnung sechs Jahre gebraucht haben. "Rückwirkend hätte ich das der Selbstverwaltung nicht mehr in die Hand gegeben", sagte er, aber das seien Erfahrungswerte.

Den G-BA bezeichnete er über zehn Jahre zurückblickend als eine Institution, die "wahnsinnig viel geleistet hat und umsetzt, was der Gesetzgeber vorgibt".  

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