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Der große Vorsitzende und die Hobbypraxis

Autor: Dr. Robert Oberpeilsteiner

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Was bitte soll das sein, die Hobbypraxis, von der in letzter Zeit die Rede ist? Dr. Robert Oberpeilsteiner geht der Sache nach. Steckt hinter der Wortschöpfung womöglich eine Kampagne?

Das Wort „Hobby“ hat so etwas Luftiges, Leichtes, Unprofessionelles. Man sollte es sich auf der Zunge zergehen lassen wie zarten Schrobenhausener Spargel mit Buttersoße. Es erinnert an Autoschrauber, Briefmarkensammler, an pensionierte Ärzte, die liebevoll Rosen auspflanzen und veredeln. Es steht fürs Relaxen und in Bayern für die innere Festigkeit, bloß keine Gelegenheit zum Feiern auszulassen. Echt hobbymäßig eben. Was aber, bitte, soll das alles mit unseren Praxen zu tun haben?

Unter 700 Scheinen ist es Hobby, dann beginnt der Ernst

Hobbypraxis! Wer kommt auf so was? Was mag den ehemaligen Sanitätsoffizier Dr. Andreas Köhler da bloß geritten haben? Der KBV-Vorsitzende selbst soll es ja sein, der sich diesen Begriff ausdachte. So in etwa, „unter 700 Scheinen ist es  noch Hobby, erst dann beginnt der Ernst“! Oder im Multi-Kulti-Sprech: „Hey du, Alter, das Leben isse eh so scheiße, also machma nur noch Hobby oder was?“


Unsere Chirurgen jedenfalls fühlen sich durch die Diskussion um Hobbypraxen einschneidend diskriminiert. Sie wehren sich jetzt gegen den Vorwurf, nicht genügend Sprechzeiten für Kassenpatienten anzubieten. Ihr Argument ist schlüssig. Sie behaupten, sie müssten auch noch operieren. Da ist in der Tat etwas dran.


Und auch die Psychotherapeuten haben sofort öffentlich Arbeitszeiten und Patientenzahlen dokumentiert, um zu belegen, dass bei ihnen Maloche angesagt ist. Da versteht der deutsche Psychoprofi keinen Spaß, wenn es um seine Hobbypraxis geht. Dabei reagiert er ähnlich hilflos wie  Amateure in manchen Talkshows: Jeden Vorwurf, egal wie unsinnig er sein mag, nehmen sie erst einmal ernst und werten ihn damit auf. Ihren Gegenargumenten hört aber schon keiner mehr zu, weil der nächste Vorwurf viel interessanter erscheint. Für die Hobbypraxis bedeutet das: Ist das Wort erst in der Welt, hat es seine Identität. Seine negative, und damit auch der jeweilige Praxisinhaber.


Eigentlich sollte man ja so eine sprachliche Missgeburt totschweigen. Aber die alten Reflexe funktionieren leider in der vernetzten Gesellschaft nicht mehr. Der Dschinn ist aus der Flasche. Gedankenlos wird der Begriff jetzt für jede kleinere Niederlassung verwendet. Setzte man ihn anfangs noch in Gänsefüßchen, so wie die Bildzeitung einst die DDR, so hat sich das Ganze mittlerweile sprachlich völlig emanzipiert. (Wobei, historisch gesehen macht mir ja das Wegfallen der Gänsefüßchen bei der Hobbypraxis Hoffnung. Denn, derart ungeschützt gab’s die DDR dann auch nicht mehr lange.)

Seit wann hat Menge etwas mit Qualität zu tun?

Das eigentliche Thema selbst ist mittlerweile fruchtbarer Nährboden für Freud’sche Versprecher und Stilblüten. So ist zu lesen, Internisten, Nervenärzte, Radiologen und Chirurgen „produzieren“ zu wenig Scheinzahlen von Kassenpatienten. Das hört sich an, als sei eine Arztpraxis ein Rübenacker, bei dem man den Ertrag auf den Quadratmeter berechnen kann. Und man insinuiert dabei, Menge habe mit Qualität zu tun.


Fragen Sie doch einmal bei den Juristen nach, welche Kanzleien am angesehensten sind? Jene, die kleine Strauchdiebe und Parksünder zuhauf in der Kartei haben, oder jene, welche wenige, dafür aber komplexe und herausfordernde Konflikte bearbeiten? (Den Kassenpatienten sei versichert, bei den Strauchdieben habe ich nicht im Geringsten an sie gedacht.)


Aber vielleicht ist das ja alles nur ein Missverständnis. Warum soll man denn eine Arztpraxis nicht mit, sagen wir, einem Schrebergarten vergleichen. Schließlich hat der große Vorsitzende als Betriebswirt  die erforderliche Distanz zum medizinischen Alltag. Aus seiner Entfernung betrachtet schaut ja dies alles vielleicht ganz zünftig aus. So ein bisschen Smalltalk mit Karzinompatienten, nächtliche Hausbesuche und Anwesenheitspflicht sind ja nicht die Welt, oder? Vorausgesetzt, es sind nicht zu viele Scheine, könnte man das Ganze quasi als Freizeitbelustigung ansehen. Wellness auf Krankenkasse! Was soll man denn schließlich sonst auch tun. Dummerweise gab’s den Begriff „Spaßgesellschaft“ schon, sonst hätte er ihn bei der Gelegenheit für Arztpraxen erfunden. Jammerschade!


Vielleicht will man aber mit dieser Kampagne auch nur die kleinen Einzelpraxen weichklopfen. Sie sind der Politik schon lange ein Dorn im Auge. Eventuell könnte man sie bei dieser Gelegenheit sozialverträglich ableben lassen. Dazu bietet es sich geradezu an, sie in Gänsefüßchen zu setzen oder alternativ auch die Einzelpraxen als „sogenannte“  zu desavouieren.

Sollen die kleinen Einzelpraxen sozialverträglich ableben?

Etwas „Sogenanntes“ ist ja per se schon sehr suspekt, eigentlich gar nicht existenzberechtigt. Das sollte doch besser gleich ganz verschwinden! Und es wäre doch gelacht, wenn es jetzt nicht gelingen würde. Es hat doch mit der DDR auch funktioniert. Die Ossis waren die Gänsefüßchen irgendwann einfach leid. Warum soll das dann bei der Hobbypraxis nicht klappen?

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