Anzeige

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein

Autor: Prof. Dr. Klaus-Dieter Kossow

Anzeige

Ärzte sind einerseits zufrieden, andererseits aber auch wütend, stellt Prof. Dr. Klaus-Dieter Kossow fest.

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein und Ärzte ganz offensichtlich nicht nur vom Honorar. Anders kann ich mir die Vorgänge während der Protestaktio­nen und Kampfmaßnahmen der Ärzte und ihrer Mitarbeiterinnen nicht erklären.


KBV und NAV-Virchow-Bund haben im Mai dieses Jahres vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut Infas repräsentativ das Stimmungsbild bei 250 Hausärzten, 250 Fachärzten und 150 Psychotherapeuten abfragen lassen. Das veröffentlichte Studienergebnis zeigte eine relativ hohe Zufriedenheit der Befragten – auch und gerade in Bezug auf die wirtschaftliche Situation: 56 % waren sehr oder eher zufrieden mit ihrem Einkommen, bei den Hausärzten 58 %, bei den Fachärzten 55 % und bei den Psychotherapeuten 61 %. Am zufriedensten erwiesen sich die Kollegen in den neuen Bundesländern mit 66 %.

Trotz hoher Zufriedenheit Protestbereitschaft

In Kenntnis dieser Studie holte der GKV-Spitzenverband ein älteres, fragwürdiges Prognos-Gutachten aus der Schublade, das beweisen sollte, dass die Honorarforderungen der KBV für das Jahr 2013 nicht gerechtfertigt sind. War die Veröffentlichung der Infas-Umfrage durch die KBV und den NAV-Virchow-Bund also eine geeignete taktische Vorbereitung für die Honorarverhandlungen?


Als dann das Schiedsamt unter Vorsitz von Professor Wasem einen Honorarzuwachs von nur 0,9 % für 2013 festsetzte, kam es zum Schulterschluss der Ärzteverbände mit den KVen und zur Androhung von Kampfmaßnahmen, die man ggf. bis zu streikartigen Aktionen eskalieren wollte. Eigentlich war dies fahrlässig – man kannte ja die Zufriedenheit der Ärzte mit ihrem Einkommen aus der Infas-Befragung und wusste, dass sich die finanzielle Situation der Vertragsärzte seither nicht verschlechtert hat. Von nennenswerter Kampfbereitschaft nur wegen des unbefriedigenden Schiedsspruches durfte man nicht ausgehen.


Zudem feierten die Hausärzte am 26. September beim Hausärztetag ihren Direktvertragspartner und Vorstand der AOK Baden-Würt­temberg, Dr. Christopher Hermann, nach seiner Festrede mit Standing Ovations, weil sie mit dem Ergebnis ihrer selbst verhandelten Verträge noch zufriedener sind als die mit der KV abrechnenden Hausärzte.

Ärzte erwarten auch Wertschätzung für Ihre Arbeit

Dessen ungeachtet reichte die Wut bei etlichen Ärzten besonders in den Ballungsgebieten für beeindruckende Zustimmungs- und mancherorts sogar Teilnehmerquoten bei Protesten. Jedenfalls haben diese sich gelohnt. Das vereinbarte Maßnahmenpaket bringt eine Honorarsteigerung von nahezu 4 %. Psychotherapeuten bekommen ein eigenes Budget mit zunächst festen Punktwerten und auch das hausärztliche Honorar durch die KVen wird um etwa 250 Millionen aufgebessert.


Im Ergebnis ist der Verhandlungserfolg der KBV auf das wenig einfühlsame Kommunikationsverhalten des stellvertretenden Vorsitzenden des GKV-Spitzenverbandes, von Stackelberg, und seine Pressearbeit zurückzuführen. Er hat die Ärzte auf die Stühle gebracht, weil er sie in ihrer Würde und in ihrem Berufsethos gekränkt hat.


Die Ärzte erwarten von ihren Verhandlungspartnern nicht nur ein faires Honorar, das wenigstens einen Inflationsausgleich garantiert, sondern auch Wertschätzung und Respekt für ihre Arbeit. Auch Krankenkassenfunktionäre sollten die Maslow’sche Bedürfnispyramide kennen. Der Mensch lebt eben nicht nur vom Brot allein, sondern auch von sozialer Anerkennung. Daran haben es manche Krankenkassenfunktionäre gegenüber den Ärzten in letzter Zeit immer wieder fehlen lassen. 


Und hinzu kommt natürlich auch, dass mancher Arzt mit technisch-mechanistischem Weltbild in den apparativen Fächern sensibler gegenüber der von den Krankenkassen veranlassten Kritik in den Medien ist als ein Arzt, der patienten-orientiert arbeiten kann und daher jeden Tag Dank und Anerkennung der Patienten bekommt.


Die großen Tageszeitungen haben als Folge der „Arbeitskämpfe“ diese Themen aufgegriffen und breit diskutiert. Sie haben mehr Verständnis für die Ärzte gezeigt, als dies nach den Diffamierungsversuchen von Krankenkassenseite zu erwarten war.

Anzeige