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Die DSGVO nervt Ärzte und Patienten

Autor: Dr. Frauke Gehring

„Dann kann Frau Doktor Sie leider nicht mehr behandeln“ „Dann kann Frau Doktor Sie leider nicht mehr behandeln“ © Fotolia/Eigens
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Das Thema in unserer Praxiskolumne: Die neue Datenschutzgrundverordnung sorgt nicht nur bei Ärzten für rollende Augen, sondern auch bei Patienten.

Eigentlich hatte sich alles entspannt. Die Sonne schien vom blauen Himmel, die Gelangweilten saßen im Straßencafé statt in unserem Wartezimmer, die Grippewelle war abgeklungen, die erste Heuschnupfenwelle vorbei und die zweite noch nicht da. Dazu streute der Kalender zuverlässig Feiertage in die Arbeitswochen, sodass es fast paradiesische Zustände hätten sein können. Hätten, wäre da nicht dieses Monster DSGVO am Horizont aufgetaucht und hätte diesen zunehmend verdunkelt.

Wie gern hätte ich ihn für unsere Praxis eingespannt!

Im Golfclub, dessen Präsidentin zu sein ich seit sechs Jahren die Ehre habe, war es mir schon begegnet. Aber hier tauchte der Retter in Gestalt unseres Schriftführers auf, der cool bemerkte: „In meiner Firma war ich der Datenschutzbeauftragte, ich kümmere mich darum.“ Wenn er in diesem Moment eine schimmernde Rüstung oder ein Paar Flügel getragen hätte, hätte mich das nicht gewundert. Souverän wälzte er sich durch Unterlagen, filterte, kopierte und legte Auszüge zur Unterschrift vor. Wie gern hätte ich ihn doch gleich für unsere Praxis eingespannt! Aber man sollte nicht an einem Arm zerren, wenn einem großzügig der kleine Finger gereicht wurde.

Darum lag es nun an uns, am Praxis­team, sich diesem bürokratischen Irrwitz zu unterwerfen und den neuen Vorschriften Genüge zu tun. Nach dem Aufatmen darüber, dass wir keinen Datenschutzbeauftragten brauchen, kam die Arbeit: Homepage ändern, Informationsblätter zusammenstellen, Aushang fürs Wartezimmer fertig machen. Kann es wirklich wahr sein, dass wir nun die Unterschrift jedes einzelnen Patienten dafür brauchen, dass wir weiterhin wissen dürfen, wie er heißt, wann er geboren wurde und was ihn krank macht?

„Nein, die müssen im Original abgeheftet werden“

Ein Anruf bei der KV war erst nach längerem Warteschlangendasein erfolgreich: „Ja“, sagte man mir mit Engelsgeduld, „Sie brauchen die Unterschriften“. Ob man die Dokumente dann einscannen könnte? „Nein, die müssen im Original abgeheftet werden“, war die ernüchternde Antwort. Ordner! Die hatten wir ja schon lange nicht mehr gebraucht, und nun mussten wir sie wieder anschaffen! Mit Registratur! Ich glaube heute noch nicht, dass das nötig war, aber man hört ja auf die Obrigkeit.

Die nächsten Tage waren für unsere Damen an der Rezeption nervenzermürbend: „Wir brauchen bitte eine Unterschrift von Ihnen“, wiederholten sie mehrere Dutzend Male am Tag, tapfer versuchend, nicht mit den Augen zu rollen: „Sie wissen doch, es gibt eine neue Datenschutzverordnung.“ Die meisten Patienten rollten tatsächlich mit den Augen, überflogen das Formular und unterschrieben dann. Andere fragten, was denn passiere, wenn sie sich weigerten. „Dann kann Frau Doktor Sie leider nicht mehr behandeln“, war die höfliche, aber bestimmte Antwort, die dann fast immer zum Erfolg führte.

Kopiervorlage abgekupfert

„Das muss ich erst einmal in Ruhe lesen“, sagte ein junger Mann und tat das dann auch, seine blutigen Wunden vergessend, die ein Sturz ihm eingehandelt hatte. Tatsächlich wurde er fündig: „Warum steht hier, dass Sie meine Einwilligung nur in Ausnahmefällen brauchen? Wann ist das? Und warum muss ich sie jetzt schon geben, wenn jetzt keine Ausnahme ist?“

Ja, warum eigentlich? Und warum hatte ich das Formular so ungenau gelesen? Er hatte Recht, und wir hatten einfach eine Kopiervorlage abgekupfert. „Das müssen wir irgendwie umformulieren“ murmelte ich meinen Mitarbeiterinnen zu, ohne genau zu wissen, ob mein Vorschlag der strengen DSGVO genügen würde. „Was machen wir denn mit dem jungen Mann und was mit der alten Frau P.?“, fragte die MfA, nun doch langsam angefressen. „Ihr Sohn holt gleich das Rezept für sie ab!“ Ja, was? Und wer unterschreibt für die leicht dementen Bewohner der Seniorenheime? Reicht unsere Aufklärung? Wird man uns abmahnen? Wird es noch mehr Zettel, noch mehr Vorschriften geben?

Wann kann ich nochmal in Rente gehen? Was, erst in fünf Jahren?

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