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„Die Rentnergang vom Chiemsee“ - Arztehepaar kämpft um Ehre

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

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Für „Bild“ war Dr. Gerhard Fleischner (69) der „Gangster-Opa“, der einen „Finanzhai entführt und gequält“ hat. Wie sich Entführung, U-Haft und Justizbetrieb aus seiner Sicht darstellt, macht der Orthopäde aus Schliersee per Buch und im Internet publik, während seine Frau, Anästhesistin Dr. Iris Fleischner (66), vor Gericht um den Erhalt ihrer Approbation kämpft.

Über den Fall des windigen Steuer- und Anlageberaters James A., der im Juni 2009 von den Herren D. und K. im Autokofferraum von Speyer nach Bayern in K.‘s Haus verfrachtet wurde, um seine Schulden bei D., dem Ehepaar K. sowie dem hinzugerufenen Arzt­ehepaar Fleischner zu begleichen, wurde schon viel berichtet. Das Arztehepaar kam dabei mehrfach zu Schaden.

Nun versuchen die beiden, eine öffentliche und rechtliche Rehabilitation zu bewirken. Der Orthopäde Dr. Fleischner schildert in dem Buch „Die Rentnergang vom Chiemsee“ Hintergründe und Ablauf der ihm vorgeworfenen Geiselnahme, die ungesunde Situation in der Untersuchungshaft sowie seine Erfahrungen mit Polizei und Juristen. Journalisten und Drehbuchautoren dient das Buch als Quelle. Das Ehepaar will damit seine Unschuld beweisen.

Beweisführung auf der eigenen Homepage

Dr. Iris Fleischner möchte zudem ein laufendes Verfahren zum Entzug ihrer Approbation nutzen, um die rechtskräftige Entscheidung des Landgerichts Traunstein vom 23.3.2010 als „Fehlurteil“ zu entlarven. Wegen ihrer Verstrickung in den Fall war sie zu einer Bewährungsstrafe von 21 Monaten sowie zur Zahlung von 5000 Euro an „Ärzte ohne Grenzen“ verurteilt worden.

Doch ihr Mann führt in seinem Buch sowie auf seiner Homepage www.podojournal.com neue Erkenntnisse und nicht berücksichtigte Beweise an. Auch an den Verwaltungsgerichtshof in München hat Dr. Fleischner sein Buch geschickt. Denn dort soll in zweiter Instanz entschieden werden, ob die Bezirksregierung Oberbayern im Juli 2011 Dr. Iris Fleischner die Approbation wegen „Unwürdigkeit“ entziehen durfte.

In der Untersuchungshaft schwer erkrankt

Orthopäde Dr. Fleischner wirft der Bezirksregierung vor, hier ein unverhältnismäßiges Exempel zu statuieren. Schließlich sei seine Frau seit zehn Jahren gar nicht mehr ärztlich tätig. Sie erkrankte zudem während der neunmonatigen U-Haft an einem „noch heute behandlungsbedürftigen Psychosyndrom“.

Doch auch dieses Verfahren wird voraussichtlich nicht das letzte sein. Dr. Iris Fleischner hat James A. wegen „falscher uneidlicher Aussage“ und den Entführer D., der – zum Kronzeugen gewandelt – die anderen Beteiligten schwer belastete, wegen „falscher Verdächtigung“ angezeigt.


Auch von dem Ehepaar K., in dessen Haus A. festgehalten wurde, haben sich die Fleischners inzwischen „juristisch distanziert“, erzählt der Orthopäde. Der Entführer K. weigere sich, seinen Anteil an den Gerichtskosten zu zahlen, die Frau Dr. Fleischner gesamtschuldnerisch übernehmen musste.

Dr. Gerhard Fleischner plant ferner gegen den „ungerechtfertigten Haftbefehl“ vorzugehen und vom Land Schadensersatz zu verlangen. „Sinnigerweise direkt vor meiner ehemaligen Arztpraxis“ verhaftet, erkrankte auch Diabetiker Dr. Fleischner während seiner U-Haft schwer und musste nach dem Aufenthalt auf der Krankenstation der JVA Stadelheim nach acht Monaten haft- und verhandlungsunfähig entlassen werden; das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt.

Er hat sich einer Interessengemeinschaft von Polizei- und Justizopfern angeschlossen. „Ich hätte nie gedacht, dass es in der Bundesrepublik so leicht ist, einen Menschen zu verhaften und fast ein Jahr lang einzusperren“, schreibt Dr. Fleischner in seinem Buch. „Zwei jungen Staatsanwälten und einem jungen Haftrichter“ sei daran gelegen gewesen, „Unbeteiligte, die ahnungslos an den Tatort kamen, zu Tätern zu stempeln“. Damit meint er seine Frau und sich; sie hatten zu dem kurzfristig anberaumten Treffen bei K. sogar Kuchen mitgebracht.

Die beiden Ärzte werden voraussichtlich ihre investierten 300 000 Euro nicht wiedersehen. Denn das Geld, das A. rentabel und steueroptimiert im US-Immobilienmarkt anlegen sollte, ist verschwunden – übrigens genauso wie A. selbst. Dr. Fleischner beschreibt in seinem Buch das internationale Firmengeflecht, mit dem sein langjähriger Steuer- und Finanzberater in Florida ihn sowie Dutzende anderer Anleger um insgesamt etliche Millionen gebracht hat. Die deutschen Ermittlungen dazu, so weiß Dr. Fleischner, sind vorerst eingestellt.

Die Konstruktion einer Geiselnehmer-Bande

Die Geschichte von der „Rentnergang am Chiemsee“ bietet Krimi­atmosphäre und sogar Situationskomik. Beispiel: Der entführte A. erklärt telefonisch seinem Schweizer Banker, wie dieser eine Passage auf einer Fax-Transaktionsanweisung verstehen soll: „Sie müssen die Worte zusammen lesen: Pol und ICE.“ Daraufhin stürmt nachts ein Sondereinsatzkomando der Polizei das Haus des Entführers K.

Das Buch schildert – persönlich gefärbt und aufgrund vieler Wiederholungen manchmal etwas anstrengend –, wie das Arztehepaar Teil einer medial konstruierten Geiselnehmer-Bande wurde. Doch so wie die Medien damit möglicherweise zu einer „Vorverurteilung“ der Inhaftierten beitrugen, so werden sie jetzt – das hoffen die Fleischners – die Geschichte auch wieder umschreiben.

Dr. Gerhard Fleischner: Die Rentnergang vom Chiemsee, 550 Seiten, 19,50 Euro, ISBN 978-3-8335-9004-7

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