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Die Vermessung des Selbst

Aus der Redaktion Autor: Kathrin Strobel

© MT
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Na, heute schon 10.000 Schritte gemacht? Genug getrunken? Das gewünschte Fett-Eiweiß-Kohlenhydrat-Verhältnis erreicht? Ein Kommentar über die Quantifizierung des Alltags.

2,7 Liter Wasser getrunken, 1645 Kilokalorien verzehrt, 10 207 Schritte gelaufen, 6,8 Stunden Schlaf gehabt – der Trend, das eigene Leben in Zahlen zu erfassen, hält an. Laut HealthOn, der nach eigenen Angaben „größten Info- und Bewertungsplattform für Health-Apps“, befasste sich im Jahr 2017 bereits jede 23. App mit dem Thema Gesundheit. Am gefragtesten sind dabei die Apps, die auf Ernährung, Schlaf und Wassertrinken zielen.

Ja, tatsächlich: Wassertrinken. Man sollte ja meinen, dass das auch ohne digitale Unterstützung funktioniert. Noch dazu in einem Land wie Deutschland, in dem wir nahezu überall uneingeschränkten Zugang zu frischem Wasser haben. Doch im Zeitalter des Quantified Self reicht es eben nicht, einfach nur zu trinken.

Nein, der Akt der Flüssigkeitsaufnahme will getimed, getrackt und getraced werden. Nur so kann auch der letzte geschlürfte Wassertropfen in den Pool erhobener Daten fließen und damit ganz nebenbei ein ganzes Meer neuer Daten generieren: Korrelationen zwischen Trinkmenge und Außentemperatur, Assoziationen zwischen Trinkhäufigkeit und Schlafdauer – die Liste potenzieller Verknüpfungen scheint endlos.

Die Quantified-Self-Bewegung wirbt mit dem Slogan „Self Knowledge through Numbers“. Selbsterkenntnis durch Zahlen also. Die Smartwatch als Qigongkugel des 21. Jahrhunderts? Wenn ich mir meine Bekannten so ansehe, die sich selbst nur noch als Summe gelaufener Kilometer und verzehrter Kalorien betrachten, bin ich nicht überzeugt.

Andererseits: In Zeiten von „Corona“ ist das smart gesteuerte (und überwachte) Durch-den-Wald-Rennen zumindest eine Alternative zur Ayurveda-Gruppenreise nach Bali – immer vorausgesetzt, man ist dabei allein.

Kathrin Strobel
Redakteurin Medizin

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