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Dieser Honorar-Protest ist doch eine Kinderei

Autor: Dr. Robert Oberpeilsteiner

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Nicht abgestempelte Bonushefte und MFAs vor Krankenkassenbüros – über den Gehalt der Honorarproteste lässt sich streiten. Am Ende zählt das Ergebnis.

Ich glaube, ich werde älter. Jedenfalls rege ich mich jetzt über Dinge auf, die mich früher so interessiert hätten wie das bekannte Radl am Pekinger Hauptbahnhof, wenn es umstürzt. Diesmal betrifft es die Morgennachrichten im Bayerischen Rundfunk. Ich war auf dem Weg in die Praxis, noch etwas müde vom Nachtdienst. Es schien ein etwas kühler, aber sonniger Voroktoberfestmorgen zu werden.


Richtig, Oktoberfestmorgen. Bay­ern wissen, dass die Oktoberfestzeit eine eigene, die fünfte, Jahreszeit ist und verlässlicher als die vier anderen. Immer Ende September bis Anfang Oktober, dazu immer in voller Stärke. Nicht wie der Sommer, der Hallodri. Einmal kommt er gar nicht, dann wieder nur ein Hauch von ihm. So unprofessionell würde sich das Oktoberfest nie durchhängen lassen. Das Oktoberfest, von dem heute die Rede ist, ist allerdings nicht das Münchner, sondern das Berliner. Vergleiche der beiden anzustellen würde vermutlich die Leserbriefredaktion überfordern. Daher will ich dazu nur anmerken: Das Einzige, was das Berliner mit dem Münchner als Oktoberfest an sich gemein hat, ist die Tatsache, dass es ebenfalls im September beginnt.

So machen wir uns die Patienten zu Feinden

Jedenfalls drehte ich das Radio an. Ich bin nicht direkt ein Radiotyp. Nicht so wie meine Sprechstundenperle Mathilde. Die ist ein Radiojunkie. Wenn das Radio nicht an ist, sinken bei ihr Leistungskurve, Östrogenspiegel, Blutzuckerwert, was weiß ich noch alles. Ich würde nie riskieren, ihr das zu verbieten. Denn Radiomusik ist das Grundrauschen ihrer Existenz. Ich höre Radio – also bin ich. So, denke ich, denkt sie. Des­cartes hätte seine Freude mit uns beiden.


Ich stand also im morgendlichen Stau bei Rot an der Ampel. Vielleicht waren ja die Bayern-Redakteure am Vorabend in Berlin und ließen daher ihre launige Oktoberfeststimmung in die Morgennachrichten mit einfließen. Diese gute Laune stieß aber bei mir, übermüdet vom Nachtdienst, so gar nicht auf Gegenliebe. Eigentlich ging es ja um keine weltbewegenden Themen. Was sie einte: Beides waren Meldungen aus dem Gesundheitsbereich. Ja, aber, fragte ich mich, als ich sie hörte – und das war es, was mich nervös Standgas geben ließ, sodass meine Nachbarn empört hupten –, sollten das an diesem Morgen wirklich die schwergewichtigsten medizinischen Themen sein?


An diesem 13. September und am Vortag sind vermutlich Tausende von Operationen durchgeführt worden. Millionen Behandlungen und was weiß ich noch alles in der medizinischen Welt passierte, auf das man sich hätte stürzen können. Aber was für uns rauskam – und jetzt lassen wir die Katze aus dem Sack – waren diese Informationen:


Ein Shitstorm der Praxen habe Telefone und Faxe bei Krankenkassen lahmgelegt und beim Oktoberfestanstich in der bayerischen Landesvertretung in Berlin war der Gesundheitsminister mit dabei.

Von den Verbänden abgeladene Kindereien

Ziemlich lausig sah unsere Medienpräsenz an diesem Morgen also aus. Natürlich, das Normale ist normal keine Nachricht wert. Hund beißt Mann – ist nix, Mann beißt Hund, gibt hingegen etwas her. Das weiß der BILD-Leser allemal. Es war halt das Shit-Wort, als Ausdruck unserer kämpferischen Aktionen für Honorargerechtigkeit, das mich nervte. Wie eine dunkle Gewitterwolke hing es über mir am weiß-blauen Nachrichtenhimmel.


Aber, andererseits, wenn ich mir noch andere, von den Verbänden auf die Praxen abgeladene Kindereien so ansehe, dann passt diese sprachliche Bescheidenheit eigentlich ganz gut ins Bild: „Rücksprachen von Krankenkassen-Mitarbeitern mit Ärzten nur noch vor 8 Uhr morgens oder nach 20 Uhr abends!“ (Bayerischer  Hausärzteverband vom 10.09.) Eine echte Funktionärsidee vom grünen Tisch!


Der BHÄV-Vorsitzende kann bei mir gerne nachts Telefondienst schieben und mit gut gelaunten, hellwachen AOK-Mitarbeitern Small Talk machen. Ich gehe dafür für ihn aufs Oktoberfest.

Keinen Bock zum Bonusheft abstempeln

Wenn er schon dabei ist, kann er vor acht der schwerhörigen Oma noch schnell erklären, warum wir heute überhaupt keinen Bock darauf haben, ihr Bonusheft abzustempeln. Morgen vielleicht, oder so, je nachdem, wie sich der Wind im Honorarkampf dreht. So macht man sich beste Freunde unter den Patienten. Politik der Nadelstiche nennen sie das, wenn wir in den Praxen unseren Allerwertesten als Nadelkissen hinhalten sollen.


Aber zurück zur wahren Gaudi. Herr Bahr, der für die Meldung um das Berliner Oktoberfest verantwortlich zeichnet, hat dort übrigens fachkundig und ohnehin von Amts wegen kompetent, festgestellt, baye­­risches Bier sei gut für die Haut. Das ist schön. Den Oktoberfestbesuchern aber wurscht. Sie hatten schon ohne dieses Wissen fast jedes Jahr neue Rekorde erzielt. Aber so hat die Meldung wenigstens keinen Shitstorm ausgelöst. Bestenfalls einen Lachkrampf.


Das war’s für heute aus der Oktoberfestredaktion! Also, don’t worry, be happy!

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