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Dr. Gassen macht sich gut als unser Mann in den Medien

Autor: Dr. Günter Gerhardt

Kommunikationstalente in der Ärzteschaft sind eine Voraussetzung für die erfolgreiche Teilhabe am medialen Diskurs. Kommunikationstalente in der Ärzteschaft sind eine Voraussetzung für die erfolgreiche Teilhabe am medialen Diskurs. © iStock/skynesher
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Wann, wenn nicht jetzt? Unser Kolumnist plädiert für mehr Engagement, Präsenz und Teamgeist der Ärzteschaft im öffentlichen Diskurs – über die Pandemie hinaus.

Corona wollte ich eigentlich in keiner Kolumne mehr erwähnen. Aber die medizinische und gesundheitspolitische Entwicklung lässt mir keine Wahl. Die Mediziner, wozu in der Regel auch die Virologen gehören, sind in den Medien präsenter denn je. Diese Präsenz dauerhaft fest zu installieren, ist unsere Chance.

Dieses Bild sollte aber nicht durch Scharmützel untereinander getrübt werden. So wird beispielsweise zwar eingeräumt, dass der Umgang mit COVID-19 ein lernendes System ist, trotzdem wird die Montgomery-Masken-Kritik mit Häme bedacht. Und es wird darüber gestritten, ob der stationäre oder ambulante Bereich erfolgreicher war.

Wir sollten – trotz der Intention einiger weniger unserer Zunft, die sich mit teilweise verschwörungstheoretischen Äußerungen vor den Karren bestimmter Internetmedien spannen lassen – die Chance der Medienpräsenz nutzen. Wer das neben den Virologen tut, ist zu meiner großen Freude der KBV-Vorsitzende Dr. Andreas Gassen, vergleichbar mit einem seiner Vor-vor-gänger, Dr. Winfried Schorre, beide Rheinländer.

Das sind Naturtalente, genauso wie Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, der als Bundesärztekammerpräsident ja bekanntlich alle Ärztinnen und Ärzte in Deutschland vertreten hat. Man sollte ernsthaft überlegen, ob der Kollege Gassen bei öffent­lichen Auftritten nicht diesen Part mit übernehmen sollte und damit nach außen deutlich zum Ausdruck bringe: „Wir sind ein Team.“

Im Rahmen meines Lehrauftrags forderte ich meine Studentinnen und Studenten im Hörsaal auf, nach rechts, links, oben und unten zu schauen. „Derzeit habt Ihr ein gemeinsames Ziel, das Physikum, dann das Staatsexamen. Und dann werdet Ihr plötzlich Konkurrenten, nur weil Ihr in unterschiedlichen Institutionen arbeitet, wie Praxis, Krankenhaus oder Gesundheitsamt? Das kann nicht sein! Ihr seid ein Team und sollt es auch bleiben.“ Natürlich müssen die unterschiedlichen Interessen vertreten werden, doch nicht vor der großen Öffentlichkeit, die unsere speziellen Themen nicht interessiert und die wegzappt­ – was sich kein Sender leisten kann.

Dr. Gassen hat bei seinem Interview in der Neuen Osnabrücker Zeitung alles richtig gemacht: Er ist eingestiegen mit einem Schlagwort, das für Aufmerksamkeit sorgt, und hat dann mit Sätzen, die jedermann versteht, gesagt, was er unter fal­schem Alarmismus versteht.

Der KBV-Vorsitzende hat mitnichten die Glaubwürdigkeit der KVen beschädigt, sondern für öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt. Die andere Medien haben das auch wahrgenommen, und so wird er – so funktionieren die Medien nun mal – in Zukunft öfter von diesen eingeladen werden.

Dr. Gassen kann dann als jemand, den man kennt, zum Beispiel die dauerhafte Einrichtung eines Schutzschirms für die ambulante Versorgung fordern oder anderes, das uns so auf der Seele brennt. Das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, keine hochgefährliche Kommunikation, sondern eine für unsere Anliegen durchaus sinnvolle.

In einer nächsten Stufe sollte Ausschau gehalten werden nach ähnlichen Talenten mit medialer Strahlkraft wie beispielsweise die Virologin Prof. Dr. Melanie Brinkmann. Sie spricht über Wissenschaft, „die nicht entscheidet, aber Erkenntnisse und Einschätzungen liefern kann“, wie es die ZDF-Moderatorin Marietta Slomka auf den Punkt brachte. Solche Sätze wie „das sehe ich anders“ (Anm.: als der Kollege Prof. Dr. Hendrik Streeck) sollten dabei allerdings unterbleiben. Das versteht der Normalzuschauer nicht. Hierfür ist vorher eine Abstimmung bzw. Sprachregelung zu finden.

Das alles ist notwendig, damit die Politik in den Bereichen Gesundheit und Gesundheitspolitik an unseren Erkenntnissen und Einschätzungen auch in Zukunft nicht vorbei kommt. Dem Satz „die sind sich ja selbst nicht einig“ sollte keine Chance eingeräumt werden; er zerstört das zuvor Gesagte.

Unsere Chance, hier Neuland zu gewinnen, ist in Coronazeiten auf jeden Fall groß. Spannende Themen haben wir genug. Denken Sie beispielsweise nur an die Grippeimpfungen in Apotheken mit einer im Vergleich zur Praxisimpfung fast doppelt so hohen Vergütung.

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