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Eher wenig Interesse an Arbeitsbefreiung für die Pflege Angehöriger

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

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Reduzierte Arbeitszeiten oder gar gänzliche Freistellung zum Zweck der Pflege eines Angehörigen sowie zinslose Darlehen als Überbrückungshilfe. Die Neuregelungen zum Jahresanfang sollen die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege verbessern. Doch es gibt erhebliche Vorbehalte.

Beim Eintritt eines Pflegefalls würde nur knapp jeder Dritte seine Angehörigen selbst zu Hause pflegen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der DAK-Gesundheit hervor. 17 % präferieren einen Pflege­heim­platz, 43 % würden eine andere Lösung suchen, etwa eine Pflegekraft, die ins Haus kommt.

Sagen bei den über 50-Jährigen knapp 40 %, Angehörige im Pflegefall selbst betreuen zu wollen, sind dies bei den unter 30-Jährigen nur 16 %. Bei den Frauen ist ein gutes Drittel bereit, häusliche Pflege zu übernehmen, bei den Männern ein knappes Viertel.

Ein Drittel meint, dass ihre berufliche Situation es nicht zulässt, einen Angehörigen zu pflegen. Drei von zehn führen ihre private Situation an. Jeder Vierte lehnt es prinzipiell ab, selbst zu pflegen. „Viele haben große Sorge, dass die Pflege sie überfordern würde“, erklärt Annett Saal, Pflege-Expertin bei der DAK-Gesundheit. Sie hofft, dass die Pflegereform die Lage verbessert.

Finanzielle Gründe (84 %) und die Angst vor beruflichen Nachteilen (43 %) werden als Gründe für Zweifel an der Praktikabilität der Familienpflegezeit genannt, stellt Forsa in einer Analyse für die Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege fest. Wie Unternehmen die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege am besten unterstützen können? Gefordert werden am häufigsten flexible Arbeitszeitmodelle (88 %), Home-Office (75 %) und individuelle Absprachen (69 %).

Für die Pflege eines nahen Angehörigen sieht das Gesetz jetzt folgende Optionen vor:

  • Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf eine kurzfristige, maximal zehntägige Freistellung für die Organisation eines akut eingetretenen Pflegebedarfs. Sie erhalten in dieser Auszeit von der Pflegekasse eine Lohnersatzleistung in Höhe von bis zu 90 % des ausgefallenen Nettoentgelts.
     
  • Arbeitnehmer dürfen sich maximal sechs Monate lang unbezahlt voll oder teilweise von der Arbeit freistellen lassen, um sich um einen pflegebedürftigen Angehörigen zu kümmern. Dieser Anspruch auf „Pflegezeit“ besteht nicht gegenüber Arbeitgebern mit 15 oder weniger Beschäftigten.
     
  • Für diese Phase können sie beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben ein zinsloses Darlehen beantragen, das die Hälfte des durch die Arbeitszeitreduzierung fehlenden Nettogehalts abdeckt.
     
  • Solch ein Darlehen können auch Beschäftigte erhalten, die einen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen und deshalb bis zu 24 Monate lang ihre Arbeitszeit auf bis zu 15 Wochenstunden reduzieren. Der Rechtsanspruch auf „Familienpflegezeit“ besteht nicht gegenüber Arbeitgebern mit 25 oder weniger Beschäftigten.
     
  • Für die Begleitung eines schwerst­kranken Angehörigen in seiner letzten Lebensphase besteht für maximal drei Monate die Möglichkeit, die Arbeitszeit ganz oder teilweise zu reduzieren.
     
  • Die Gesamtdauer aller Freistellungen beträgt 24 Monate.
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