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Ein Arzt ist mehr als nur ein Mediziner

Autor: Dr. Cornelia Tauber-Bachmann

Nur ein Subjekt, das seine eigene Subjektivität erkennt, kann empathisch mit einem anderen Subjekt umgehen. Nur ein Subjekt, das seine eigene Subjektivität erkennt, kann empathisch mit einem anderen Subjekt umgehen. © Fotolia/Ngampol
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Dr. Cornelia Tauber-Bachmann sieht einen großen Unterschied zwischen einer „Medizinerin“ und einer „Ärztin“? Das Thema in unserer Praxiskolumne.

Kürzlich sah ich im Fernsehen ein Interview mit einer Kollegin. Nein, es war eigentlich kein Interview, eher ein Statement zum Thema, wie es in einer Reportage üblich ist. Ich fand es irritierend. Aber nicht wegen der Aussagen der Kollegin oder der Art und Weise, wie sie sprach. Was mich störte, war die eingeblendete Unterzeile mit dem Namen der Kollegin: Wie seit ein paar Jahren Usus ohne akademischen Grad und mit Angabe der Berufsbezeichnung „Allgemeinmedizinerin“. Nun sollte ich mich als Frau wohl freuen, dass die weibliche Form genderkorrekt gewählt wurde. Aber warum der Terminus „Medizinerin“?

Natürlich gehe ich davon aus, dass die Kollegin ein Studium der Humanmedizin erfolgreich absolviert hat und dass sie die Anerkennung als „Fachärztin für Allgemeinmedizin“ erworben hat. Aber die Berufsbezeichnung ist doch immer noch „Ärztin“, oder? Für mich klingt Mediziner oder Medizinerin viel kälter, distanzierter, technokratischer, rein auf das Wissen und technische Können beschränkt.

Arzt oder Ärztin hat für mich mit Vertrauen und menschlicher Beziehung zu tun. Selbstverständlich gehört fachliches Wissen und Können als Grundlage dazu, aber eben auch psychologische und soziale Fähigkeiten. Und Beziehungsfähigkeit.

Da stieß ich letzte Woche im Urlaub auf einen erfreulichen Artikel im Deutschen Ärzteblatt. Ja, im Urlaub, denn da habe ich Zeit, die angesammelten Zeitschriften durchzublättern. Kennen Sie das? Deshalb ist der Artikel auch schon in der Ausgabe vom 23.11.2018 erschienen. Darin steht, dass an der TU München seit zwei Jahren ein Programm zur „kreativen Kultivierung der ärztlichen Professionalität“ angeboten wird. Das Ziel: Absolventen und Absolventinnen des Medizinstudiums sollen eben nicht nur Mediziner sein, sondern Ärztinnen und Ärzte.

Doch was gehört zum Arztsein dazu? Welche Eigenschaften und Fähigkeiten unterscheiden den Mediziner vom Arzt? In allererster Linie wird natürlich von Arzt- und Patientenseite die Empathie genannt. Doch wie ist Empathie zu verstehen, wie kann ich ermessen, ob ich empathisch bin? Und kann ich Empathie erlernen oder muß ich zumindest ansatzweise diese Fähigkeit haben, um sie weiterzuentwickeln? Und wie weit darf ich Arzt/Ärztin mit meiner Empathie gehen?

Ärztliches Selbstbewusstsein ist Burnout-Prophylaxe

Laut diesem Artikel ist als Grundlage eine „Aktivierung des ärztlichen Subjekts“ erforderlich, d.h. nur ein Subjekt, das seine eigene Subjektivität erkennt, kann ein anderes Subjekt anerkennen und mit ihm in eine empathische Beziehung treten. Und dieses differenzierte ärztliche Selbst-Bewusstsein kann man/frau in diesem Seminar lernen. Durch offene Fragen und moderierte Diskussionen, durch verschiedene Workshops und auch mithilfe von Filmen und Literatur soll die Entwicklung der beruflichen Identität gefördert werden, um den Anforderungen auch menschlich gerecht zu werden.

Liebe Medizinstudentinnen und -studenten der TU München: Ich beneide Euch, weil ich dieses Programm in meinem Studium auch gerne gehabt hätte. Es hätte mir vermutlich viele schmerzhafte Lernprozesse erspart, mir viele Probleme schon früher bewusst gemacht und dadurch häufig meine Kräfte geschont. Nutzt die Chance, an diesem Programm teilzunehmen, vor allem wenn ihr als praktisch tätige Ärzte und Ärztinnen, insbesondere im hausärztlichen Bereich, Eure Zukunft seht. Es gibt keine bessere Burnout-Prophylaxe.

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