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ePA von Geburt an – Sachverständigenrat empfiehlt nachhaltige digitale Strategie

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Vorteil für die Forschung: Nicht freigegebene Daten sollten verschattet statt gelöscht werden. Vorteil für die Forschung: Nicht freigegebene Daten sollten verschattet statt gelöscht werden. © Production Perig – stock.adobe.com
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In Sachen Hightech wirkt Deutschland wie ein Entwicklungsland – so die Einschätzung des Sachverständigenrates (SVR) für das Gesundheitswesen. Das aktuelle Gutachten gibt viele Empfehlungen für die Politik, darunter eine elektronische Patientenakte von Geburt an.

„Wir brauchen eine ehrliche Diskussion über bisherige Fehlentwicklungen“, mahnt der SVR-Vorsitzende, Professor Dr. Ferdinand Gerlach. Die Politik habe Schritte in die richtige Richtung getan, Ziel müsse aber eine Neuausrichtung der Versorgung hin zu einem „digitalen, systematisch lernenden Gesundheitssystem“ werden, weg von Faxstandard und Zettelwirtschaft.

Erforderlich sei eine nachhaltige Strategie. Gesundheitsdaten müssten dabei „in die richtigen Hände fallen“. Gehe es darum, Gesundheitsdaten in einer ePA zu sammeln und für Forschung, Prävention, Diagnostik und Therapie verfügbar zu machen, dann würden Probleme aufgetürmt, die eine sinnvolle Datennutzung fast unmöglich machten.

Sinnvolle Datennutzung durch Risikoblick fast unmöglich

Es würde viel über Datenschutz und Risiken diskutiert, aber wenig über das mindestens vergleichbare Risiko der Unterlassung einer sinnvollen Datennutzung. „Es ist unethisch Daten zu missbrauchen, aber auch unethisch, vorhandene Daten nicht zu nutzen“, so Prof. Gerlach. Die alte Maxime der Datensparsamkeit sei von der Realität überholt.

Vorrangige Norm müsse Datensicherheit mit empfindlichen Sanktionen bei Grenzüberschreitung sein. Für die ePA empfiehlt der SVR ein Opt-out-Verfahren mit Widerspruchsmöglichkeit. Für jede Person solle mit Geburt oder Zuzug eine ePA eingerichtet werden, inklusive der Verpflichtung für Leistungserbringer, automatisch Daten einzustellen. Der Versicherte sollte die Möglichkeit haben, der Einsichtnahme durch Leistungserbringer zu widersprechen.

Das für 2021 bzw. ab 2022 vorgesehene mehrfache Opt-in-Verfahren halten die sieben Sachverständigen für viel zu komplex. Der Versicherte müsse erst einmal auf die Idee kommen, seine Akte zu beantragen, erklärt SVR-Mitglied Prof. Dr. Petra A. Thürmann. Das berge das Risiko, dass letztlich nur digital versierte Patienten die Akte tatsächlich nutzen.

Nicht freigegebene Daten sollten nicht gelöscht, sondern nur verschattet werden. Vorteile biete das für die gemeinwohldienliche Forschung. Was könne man nicht alles „mit ordentlichen Gesundheitsakten“ in der Pandemie machen, meint Prof. Thürmann, z.B. zielgruppenorientierte Impfstrategien aufstellen, anstatt nach Altersgruppen oder Berufen vorzugehen. In vielen anderen europäischen Ländern könnten solche schnellen Analysen längst gemacht werden. Der SVR hält jedoch für unabdingbar, dass Gesundheitsdaten nur in Hände fallen dürfen, „die Leben und Gesundheit schützen wollen“.

Die meisten Ineffizienzen entstünden durch Informationsverluste von ambulant zu stationär und Reha und zurück, erklärte der stellvertretende SVR-Vorsitzende, Professor Dr. rer. pol. Wolfgang Greiner. Durch ein voll digitales Gesundheitswesen sei das weitgehend vermeidbar.

Die meisten Ineffizienzen durch Informationsverluste

Die Digitalisierung habe auch entscheidende finanzielle Vorteile für die Krankenversicherung. Ziel müsse deshalb eine schnelle Implementierung sein. Leider sehe die Realität trotz Fördermaßnahmen noch anders aus.

Auch eine leistungsstarke Internetverbindung sei flächendeckend erforderlich. Ergänzungsbedarf sieht der SVR bei digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA/Apps). Das derzeitige Bewertungsverfahren sei nicht für DiGA höherer Risikoklassen geeignet. Dafür sollte ein eigenes Verfahren gesetzlich festgelegt werden.

Quelle: Bundespressekonferenz

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