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Fortbildung: Reise und Hotel nur auf eigene Kosten

Gesundheitspolitik Autor: Anke Thomas

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Die Ärztekammer Niedersachsen wird Absatz 2 des § 32 Musterberufsordnung (MBO) der Bundesärztekammer nicht in ihre Berufsordnung übernehmen. Die Folge: Niedersächsische Mediziner müssen bei Fortbildungs-Zuwendungen der Industrie kürzer treten. Das sorgt für Ärger.

Bereits 2004 entschied die Kammerversammlung, auf die Übernahme einer MBO-Regelung zu verzichten, die die Annahme von Sponsorengeldern der pharmazeutischen oder Medizinproduktehersteller unter bestimmten Voraussetzungen zuließ. Der Deutsche Ärztetag 2011 fasste den § 32 Absatz 2 MBO neu. Die Ärztekammer Niedersachsen lehnte im November 2012 die Übernahme der Änderungen erneut ab.

Therapiehoheit wird schon ganz anders beeinflusst

Diese Entscheidung bekommen Ärzte nun zu spüren: Ihnen ist es nicht erlaubt, sich vonseiten der Pharmaindustrie oder der Hersteller von Medizinprodukten Tagungsgebühren und Reisekosten für den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen erstatten zu lassen – auch unabhängig davon, wer der Veranstalter ist. Übernimmt ein Hersteller für einen Arzt die Pauschale für die Verpflegung oder lädt er ihn zum Abendessen ein, darf der Wert insgesamt maximal 50 Euro betragen.

Mit diesem Vorgehen impliziert die Ärztekammer, dass sich Ärzte automatisch von gesponserten Fortbildungen beeinflussen lassen, bemerkt Allgemeinarzt Dr. Steffen Grüner. Dagegen werde der Fakt, dass eine unwirtschaftliche Verordnungsweise aufgrund von Budgetierungen kaum möglich sei und die ärztliche Therapiehoheit durch Rabattverträge weitgehend aufgeweicht wurde, ignoriert. Dr. Grüner hofft, dass die Entscheidung bei der Kammerversammlung am 4. Mai gekippt wird.

§ 32 Absatz 2 MBO-Ärzte
„Die Annahme von geldwerten Vorteilen in angemessener Höhe ist nicht berufswidrig, sofern diese ausschließlich für berufsbezogene Fortbildung verwendet werden. Der für die Teilnahme an einer wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltung gewährte Vorteil ist unangemessen, wenn er über die notwendigen Reisekosten und Tagungsgebühren hin­ausgeht.“


Dr. Hans Heiken, Internist aus Hannover, hat Zweifel, dass die Entscheidung der Ärztekammer rechtlich haltbar ist. In einem Interview auf www.hivandmore.de kündigt er eine Normenkontrollklage gegen die Ärztekammer an, bei der ein Praxiskollege als Kläger auftreten werde.

Das Vorgehen der Ärztekammer verwundert auch die Rechtsanwältin Henriette Marcus aus Frankfurt/Main. Die Delegierten legten sich und ihren Kollegen strengere Regeln auf, als sie die Bundes­ärztekammer bundesweit vorsehe. Eine Landes­ärztekammer kann aufgrund des landesrechtlichen Heilberufekammergesetzes eigene, strengere Maßstäbe setzen. Marcus meint, dass sich die Kammer innerhalb ihres Spielraums bewegt. Aber tut sie ihren Mitgliedern damit einen Gefallen?

Es lässt sich auch darüber spekulieren, ob die Einschränkungen für industriegesponserte Fortbildungen dazu führen, dass sich Ärzte mehr auf Veranstaltungen der Fortbildungseinrichtung der niedersächsischen Ärztekammer fokussieren werden. Jedenfalls könnte das Fortbildungsangebot insgesamt eventuell abnehmen, mutmaßt die Juristin.

Der Internist und Gastroenterologe Dr. Bernd Lücke aus Hildesheim hat sich selbst bei der Kammer wegen zwei gesponserten Teilnahmen an Fortbildungen und einer Hotelübernachtung angezeigt. Nun muss der Justitiar der Kammer entscheiden, wie weiter vorzugehen ist.

Selbstanzeige eines Arztes soll zur Klärung beitragen

Der Casus Knaxus liegt für Dr. Lücke darin, dass nach § 32 Absatz 1 MBO Sponsoring nur dann verboten ist, wenn der Arzt in seiner Entscheidung beeinflusst wird. Der Absatz 2 sei von der BÄK hinzugefügt worden, um den ersten Absatz zu konkretisieren. Die Ärztekammer Niedersachsen habe den zweiten Absatz nicht übernommen. Sie versuche nun, in ihren auf der Homepage veröffentlichten „Antworten auf häufig gestellte Fragen“ die Einschränkungen zu definieren. Das hält Dr. Lücke für rechtlich nicht korrekt.

Überhaupt, so der Kollege, sei es juristisch fragwürdig, Klinikärzte besserzustellen als die Niedergelassenen (weil Pharmafirmen z.B. Uniklinken Geld geben dürfen, mit denen u.a. Reisen zu Fortbildungen finanziert werden) sowie Referenten, die von Pharmafirmen bezahlt werden, auf Fortbildung zuzulassen bzw. hier keine Beeinflussung zu vermuten.

Dr. Lücke hofft, dass der Absatz 2 des § 32 MBO noch in die niedersächsische Berufsordnung aufgenommen wird. Sollte ein Berufsgerichtsverfahren gegen ihn eingeleitet werden, erwartet er, spätestens in einer obergerichtlichen Instanz Recht zu bekommen.

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