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Fünf Tage „AU“ ohne Arzt?

Gesundheitspolitik Autor: Anke Thomas

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Kranke Arbeitnehmer sollen sich statt bisher drei bis zu fünf Tage selbst krankschreiben können, schlagen Wissenschaftler der Universität Magdeburg vor. Das meinen Leser der Medical Tribune dazu:

Würde es die Hausärzte entlasten, wenn sich Beschäftigte ohne den gelben AU-Schein bis zu einer Woche selbst krankmelden könnten?

Diesen Vorschlag haben Wissenschaftler der Univer­sität Magdeburg gemacht und damit eine öffentliche Diskussion ausgelöst. Während beispielsweise der Hartmannbund-Vorsitzende Dr. Klaus Reinhardt die Idee begrüßt, weil auf diese Weise Ärzte und Patienten entlastet werden könnten, hält der Chef der Deutschen BKK, Achim Kolanski, gar nichts davon.

Arbeit­geber und Bundesregierung sehen zwar keinen Handlungsbedarf. Doch man könnte es ja in Pilotprojekten mal ausprobieren, meinen die Forscher. Erfahrungen in Norwegen zeigten, dass sich der Krankenstand nicht erhöht. Dort kann man sich bis zu acht Tage am Stück und bis zu 24 Tage im Jahr selbst krankschreiben. Was Leser der Medical Tribune dazu sagen:

Dr. Karl-Heiner Nöllgen, Facharzt für Allgemeinmedizin, Flammersfeld:

Leider kann ich die Auffassung des Kollegen Reinhardt nicht nachvollziehen. Außer in „Grippezeiten“ sind es nicht die Akutpatienten, die die Praxen füllen, sondern diejenigen, die ihr Dasein strukturieren, indem sie täglich einem anderen Arzt ihre Befindlichkeitsstörungen zum Vortrag bringen und dafür noch von Kassenseite mit dem Prädikat „chronisch krank“ und daraus resultierender Zuzahlungsbefreiung belohnt werden.Heute verlangen viele Firmen eine ärztliche AU-Bescheinigung ab dem ersten  Tag. Dies ist aus meiner Sicht unnötig. Andererseits ist es eine merkwürdige Vorstellung, der Arbeitgeber solle ein Viertel Monatsgehalt zahlen, ohne dass die Erkrankung des Mitarbeiters evaluiert wird.

Dres. Dieter und Gabriele Jung, Fachärzte für Allgemeinmedizin, Heidelberg:

Wie wäre es mit einem Kompromiss? Das könnte eine Vier-Tage-Regelung sein, damit Patienten nicht montags wegen einer Freitags-AU anfragen. Denn freitags schließen viele Kollegen um 12 Uhr ihre Praxen und Patienten können ihren Arzt nicht mehr erreichen. Ansonsten ist das kein medizinisches Problem, sondern muss mit den Arbeitgebern geklärt werden. Schwere Diagnosen werden so sicherlich nicht verschleppt und für leichte Fälle wird alles leichter.

Dr. Klaus Günterberg, Gynäkologe, Berlin:

Ja, in Zeiten zunehmenden Ärztemangels sollte man Ärzte entlasten. Man sollte auch die Regelungen zur Krankmeldung und Krankschreibung bei Bagatell-Erkrankungen überprüfen. Da sind Änderungen meines Erachtens überfällig! Was halten Sie von folgenden Änderungen?
 

  • Bei absehbar kurzfristiger Erkrankung kann sich der Arbeitnehmer für maximal drei Werktage auch selbst krankmelden, ohne dass es dazu einer ärztlichen Bescheinigung bedarf, begrenzt auf drei Krankheitsfälle und insgesamt höchstens sechs Werktage pro Jahr.
     
  • Bei jeder Erkrankung bis zu sechs Wochen wird für die ersten drei Krankheitstage keine Lohnfortzahlung gezahlt. Bei einer darüber hinaus andauernden Krankheit erhält der Arbeitnehmer auch für diese ersten drei Tage die volle Lohnfortzahlung.
     
  • Fordert ein Arbeitgeber für eine Arbeitsunfähigkeit bis zu drei Tagen eine ärztliche Bescheinigung, so ist dies keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, der Arbeitgeber hat dafür die Kosten zu tragen.

Petra Marschollek, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Königs Wusterhausen:

Bescheinigungen sind Teil unserer Arbeit, aber vorher stehen Anamnese, Diagnose und Therapie. Wann und mit welchen Beschwerden die Patienten mich aufsuchen, entscheiden sie selbst. Es ist auch nicht verkehrt, wenn ein jüngerer Patient mal mit einer leichten Erkrankung kommt. Nur so habe ich die Möglichkeit, ihn auf Impfstatus, Nikotinvermeidung, Ernährung, Stressabbau usw. hinzuweisen, bevor sich schwere Erkrankungen manifestieren. Fünf Tage Selbstbehandlung kommen den Apotheken zugute und bergen die Gefahr einer Verschleppung der Symptome. Mit ärztlicher Behandlung wäre der Patient vielleicht nur drei Tage arbeitsunfähig gewesen. Kommt er erst nach fünf Tagen, kann die Behandlung deutlich erschwert sein. Ich kann mir auch kaum vorstellen, dass fünf Tage für Arbeitgeber handhabbar sind. Bei mir müssen fast alle Patienten (Ausnahme: öffentlicher Dienst) bereits für den ersten Krankheitstag eine AU-Bescheinigung vorlegen.

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