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Geschmierte Ärzte für Jahre in den Knast?

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

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Bayerns Justizminis­ter Prof. Dr. Winfried Bausback hat einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vorgelegt. Die AOK findet das gut. Und auch beim Bundesjustizministerium laufen Vorbereitungen.

In der letzten Legislaturperiode endeten die Anti-Korruptionsbemühungen von FDP-Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (Regelung im Sozialgesetzbuch) und dem Bundesrat (Ergänzung im Strafgesetzbuch) ergebnislos. Jetzt hat Bayerns Justizminister die Vorarbeiten von Hamburg aufgegriffen und einen neuen Gesetzentwurf vorgestellt. Der soll zunächst nur innerhalb der bayerischen Staatsregierung diskutiert werden. Von einer Bundesrats­initiative ist noch nicht die Rede.

Ärzte und Apotheker auf dem Kieker

Prof. Bausback (CSU) schlägt einen neuen § 299a StGB vor. Dieser zielt allein auf verkammerte Heilberufe, also Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Psychotherapeuten und Apotheker. Ihnen wird eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe angedroht – falls sie im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. Und zwar als Gegenleis­tung dafür, dass ein Wettbewerber in unlauterer Weise bevorzugt wird oder anderweitig Berufsausübungspflichten verletzt werden „bei dem Bezug, der Verordnung, der Empfehlung, der Verabreichung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial“. Dasselbe gilt für den Vorteilsanbieter.

Für „besonders schwere Fälle“ – ein Vorteil großen Ausmaßes, Mitgliedschaft in einer Bande oder eine Tat, die einen Menschen gesundheitlich erheblich gefährdet – wird eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren vorgesehen.

Augenmerk auch auf Rabatte bei Laborleistungen

In der Begründung zum Gesetzentwurf wird u.a. klargestellt, dass sich „die Zuführung von Untersuchungsmaterial vor allem auf die Vergabe von (medizinischen) Laboruntersuchungen“ bezieht. Als Beispiele für Vorteile werden neben Geldzuwendungen auch „Rabatte beim Bezug von Arzneimitteln und Laborleistungen sowie Einladungen zu Urlaubsreisen“ genannt.

Es gehört nicht viel Fantasie dazu, um hierin auch eine Reaktion auf die sog. Laboraffäre um den Augsburger Laborarzt Dr. Bernd Schottdorf zu erkennen. Werden Lücken im Strafrecht erkannt, sind diese zu schließen, heißt es im Ministerium allgemein. Dabei richte sich der Blick nach vorn und nicht auf Vergangenheitsbewältigung.

An Letzterer ist die Opposition im Landtag jedoch sehr interessiert. Der Untersuchungsausschuss „Labor“ hat sich konstituiert. Dieser will „Justizsystemfehler korrigieren“, wie der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Dr. Sepp Dürr, betont. Es gehe um die Tätigkeit von Generalstaatsanwaltschaft, Staatsanwaltschaft, Staatsregierung, Justizministerium und Ermittlungsbehörden bei der „Beurteilung der Strafbarkeit des von Dr. B. S. mit einer Vielzahl von Ärzten praktizierten Systems der Abrechnung von Laborleistungen“.

Derzeit tut sich im Ausschuss jedoch wenig, nachdem „Dr. B. S.“ mithilfe von Rechtsanwalt Dr. jur. Peter Gauweiler (Bundestagsabgeordneter und Stellvertretender CSU-Vorsitzender) gegen den Einsetzungsbeschluss des Untersuchungsausschusses Verfassungsbeschwerde vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingelegt hat.

Justizminister Prof. Bausback hat jedenfalls erkannt: Wer die komplexen Straftaten im Gesundheitswesen effektiv verfolgen will, braucht Fachwissen und Erfahrung, auch in Materien wie Sozialrecht und kassenärztlicher Abrechnung. Darum werden ab Oktober die drei Schwerpunktstaatsanwaltschaften München, Nürnberg-Fürth und Hof eingerichtet. Sie konzentrieren sich auf die Verfolgung von Korruptions- und Vermögensdelikten von Angehörigen der akademischen Heilberufe bzw. die Delikte der Geberseite.

„Damit wird der Kampf gegen Fehlverhalten im Gesundheitswesen deutlich erleichtert“, kommentierte Dr. Helmut Platzer, Chef der AOK Bayern, die Ankündigungen. Die AOK fordere schon seit vielen Jahren Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur effizienteren Strafverfolgung.

Referentenentwurf soll bis Ende 2014 vorliegen

Die GroKo hat vereinbart, dass im Strafgesetzbuch ein neuer Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen geschaffen werden soll. „Zur Vorbereitung der Arbeiten an einem Referentenentwurf veranstaltet das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Anfang September 2014 ein Fachforum mit Experten und Vertretern der betroffenen Verbände. Es ist beabsichtigt, den Referentenentwurf bis Ende 2014 vorzulegen“, teilte das Minis­teriums auf MT-Anfrage mit. Zum Inhalt des Entwurfs könne derzeit nichts Näheres gesagt werden.

Mit einer strafrechtlichen Regelung ist folglich wohl noch in dieser Legislaturperiode zu rechnen. Die Bundesärztekammer ist im Grundsatz dafür – auch wegen der heutigen Ungleichbehandlung von Klinik- und niedergelassenen Ärzten. Und die Selbstverpflichtung der Mitgliedsunternehmen des Vereins „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie“, an Ärzte keinerlei Geschenke mehr abzugeben, lässt sich ebenfalls als ein Vorzeichen lesen.

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