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Gesucht: faire Kollegen für Vertretungsdienste

Autor: Dr. Frauke Höllering

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Alle Jahre wieder, kommt die Zeit sich um einen Vertretungsdienst zu kümmern. Leichter gesagt als getan...

Es begann im November, zunächst harmlos wie immer: „Ich werde gerne nachfragen, aber ich denke schon, dass das in Ordnung geht“, sagte unsere Rezeptionistin freundlich ins Telefon. Meine Nachfrage bestätigte, was ich schon vermutet hatte: Der Kollege, den wir regelmäßig vertreten (und er uns, wenn Not am Mann bzw. an der Frau ist), hatte angerufen und uns gebeten, ihn zwischen Weihnachten und Neujahr zu vertreten. Diesmal lagen ja nur zwei Arbeitstage zwischen all den Feiertagen; wer sollte da Lust haben, nochmal zum Dienst anzutreten? Man könnte sich ja viel besser geruhsam an die Abrechnung setzen! Nun gut, einverstanden.


Wir hatten noch nie „zwischen den Jahren“ geschlossen, weil wir uns zu zweit ja aufteilen können. Eine kam die erste, die andere die zweite Hälfte dieser Zeit in die Praxis, das war zumutbar und gab unseren Patient(inn)en die Möglichkeit, sich noch einmal ärztlichen Rat zu holen, falls der notwendig sein sollte. Dieses Arrangement aber sprach sich schnell in unserer kleinen Stadt herum und so geschah es wie in jedem Jahr: Bis weit in den Dezember hinein hatten wir freundliche MFAs verschiedener Praxen am Telefon, die verbindlich nachfragten, ob man sie nicht auch vertreten könne.

»Neun Ärzte auf einmal vertreten, das schafft keiner«

Diesmal war es besonders schlimm;  einer musste seine Software umstellen, der andere hatte ganz besondere Gründe, in den Urlaub zu wollen, und keinen wollten wir verprellen. Hatte sich doch der eine oder andere schon mal bereit gefunden, uns auszuhelfen. Irgendwann rechneten wir nach: Vier Einzel- und zwei Doppelpraxen sollten wir nun vertreten, und uns gegenseitig. Das waren ja neun Ärztinnen und Ärzte!


Da wurde mir mulmig. Von einem im Nachbardorf, der durchhalten wollte, wussten wir. In der Praxis des nächsten rief ich an. Nein, man schließe, versicherte man mir, würde aber von dem Nachbardoktor vertreten. „Nun gut“, dachte ich, „zum Glück haben sie uns nicht gefragt!“ Jetzt blieb noch eine Doppelpraxis übrig, direkt in unserer Nachbarschaft. Hier hatte keiner angerufen, aber ich kannte meine Pappenheimer. Schon manchmal war die Tür einfach verschlossen geblieben und die Patienten waren bei uns aufgeschlagen: „Es steht nichts dran, aber der Doktor ist nicht da!“


Darum rief ich auch hier an: „Was planen Sie über Weihnachten?“, fragte ich unschuldig. „Wir machen zu“, war die Antwort, „wie wir das machen, hat der Chef noch nicht gesagt.“ Aha, dachte ich’s mir doch! „Schöne Grüße“, sagte ich freundlich, „wir können sie leider nicht vertreten. Und bitte sagen Sie nicht ‚alle anwesenden Ärzte‘ stünden zur Verfügung, denn das wären nur wir, und außerdem ist das nach den KV-Richtlinien nicht zulässig.“ Dann legte ich auf.

»Manche schließen die Praxis ohne anzurufen«

Draußen rieselte der Schnee, und ich dachte über Kollegialität nach. Wäre es nicht fair, sich im Vorfeld abzusprechen, wer im jeweiligen Jahr die Stellung halten und wer schließen würde? Wäre es nicht nett den Patienten und kollegial uns gegenüber, auch mal zu sagen: „Diesmal bleiben auch wir hier und lassen die Praxis offen“, so dass nicht alles von einer Praxis bewältigt werden muss? Ach ja, Weihnachten, das Fest der Liebe,  der Mitmenschlichkeit. Pustekuchen! Das würden wir nie hinkriegen! Schade eigentlich; und wir durften noch dankbar sein, dass die meisten wenigstens gefragt hatten. Aber was, wenn wir „Nein!“ gesagt hätten? 


Dann kam Weihnachten, Zeit für die Familie, Besinnlichkeit, Ausspannen. Sie möchten wissen, wie die Tage danach verlaufen sind? Sagen wir mal so:  Es war gut, dass wir uns vorher ein bisschen erholen konnten! Ein liebenswerter Kollege hatte auf meine flehende Bitte hin einen Vertreter im Nachbarort gefunden; da seine Praxis nicht weit davon entfernt liegt, kein Problem, aber trotzdem reizend.


Der Kollege im Nachbarort versprach, uns bei Hausbesuchen auszuhelfen, denn er selbst zeichnete nur bei einem Abwesenden als Vertreter verantwortlich. Das war nett. Und die Nachbarpraxis? Dort wurde telefonisch nur auf die Notfallpraxis verwiesen, die natürlich an diesen ganz normalen Werktagen erst abends öffnete. Ein namentlich benannter Vertreter? Fehlanzeige. Wer hat ausgeholfen? Wir! Jeder, der kam, wurde auch behandelt.


Das erste Glas Sekt der Silvesternacht widmete ich meinen beiden entgegenkommenden Kollegen. So lange es Menschen wie sie gibt, brauche ich keine Endjahres-Phobie zu entwickeln. Über die anstrengende Extraarbeit trösteten die vielen Vertreterscheine hinweg. Mal sehen, wie es in diesem Jahr wird.

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