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Praxiskolumne Gesundheitskompetenz – kann ich!

Autor: Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth

Personen mit geringer Gesundheitskompetenz gehen öfter zum Arzt und melden sich häufiger krank. Personen mit geringer Gesundheitskompetenz gehen öfter zum Arzt und melden sich häufiger krank. © rob z – stock.adobe.com; MT
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Fällt in Ihren Sprechstunden auch auf, dass die Gesundheitskompetenz der Patient*innen stetig abnimmt? Gleichzeitig nimmt die Fülle der Informationen zum Thema Gesundheit im Internet immer weiter zu.

Auf der einen Seite weiß kaum einer mehr, dass man bei Fieber Wadenwickel versuchen kann, bevor man den Notdienst bemüht. Auf der anderen Seite kommen Patient*innen mit Internetausdrucken in die Sprechstunde, auf denen zehn Differenzialdiagnosen seltener Erkrankungen stehen und halten sich für kompetenter als die Fachleute.

Doch was ist das eigentlich, Gesundheitskompetenz? Darunter versteht man die Fähigkeit, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden, um im Alltag angemessene Entscheidungen zur Gesundheit treffen zu können. Gesundheitskompetenz gehört zur Bildung und umfasst Wissen, Motivation und Handlungskompetenz. Sie basiert auf allgemeiner Bildung, und da das allgemeine Bildungsniveau seit Jahren abnimmt, erstaunt es nicht, dass die Patientinnen und Patienten trotz zahlreicher Informationen nicht unbedingt kompetenter in Sachen Gesundheit werden.

Angemessene Entscheidungen zu treffen, gelingt in Bezug auf die eigene Gesundheit zunehmend seltener: Notaufnahmen werden wegen Bagatellerkrankungen geflutet, Fahrdienste beschäftigen sich tief in der Nacht mit Beratungsanlässen wie ,,Schmerzen im mittleren Fußgewölbe“. Offenbar fällt vielen Menschen die Einordnung, was in einen Notdienst gehört, immer schwerer.

Schaut man auf die internationale Studienlage zu dem Thema, zeigt sich, dass eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz negative Auswirkungen hat. Personen mit geringer Gesundheitskompetenz weisen deutlich mehr krankheitsbedingte Fehltage auf und nutzen das Gesundheitssystem häufiger.

In Deutschland werden Public-Health-Themen leider viel zu wenig bespielt und die Ärzteschaft sollte sich daher vermehrt zu Wort melden und Verbesserungen einfordern. Hausärztinnen und Hausärzte sind Expert*innen für die Gesundheit ihrer Patient*innen und so listet der Haus­ärzteverband in seinem Forderungspapier an die Politik auf, die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu stärken. Der Sachverständigenrat kam in einem Gutachten zum gleichen Schluss.

In Deutschland wurde bisher nur eine Handvoll Studien zum Thema Gesundheitskompetenz in Auftrag gegeben, darunter die GERDA-Studien am Robert Koch-Institut. Die Ergebnisse sind für mich teilweise überraschend. So findet sich im Gegensatz zu internationalen Studien kein signifikanter Geschlechter­unterschied.

Gefühlt würde ich jedoch Frauen eine höhere Gesundheitskompetenz bescheinigen. Sie sind seit Jahrtausenden die Gesundheitsminis­terinnen in ihren Familien. Sätze wie ,,Wasch Dir die Hände!“ oder ,,Hast Du die Zähne geputzt?“ haben wir doch meistens von unseren Müttern gehört. Frauen sind sicher mehrheitlich auch immer noch für das Einkaufen, die Ernährung der Familie und bei Erkrankung zuständig.

Schaut man sich das Design der GERDA-Studien genauer an, zeigt sich, dass im Wesentlichen mit Selbstauskunft gearbeitet wurde. Personen wurden gefragt, wie sie ihre Gesundheitskompetenz einschätzen in Bezug darauf, Informationen zu erlangen, zu verstehen oder diese anzuwenden. Könnte es vielleicht sein, dass gerade Männer hier kurz überlegt und dann angekreuzt haben: Kann ich! Die tatsächliche Gesundheitskompetenz zeigt sich dann beim nächsten Männerschnupfen.

Ich finde, es tut Not, das Thema Gesundheitskompetenz bereits früh in den Bildungsplänen zu verankern, ausreichend zu beforschen und vor allem auch die digitale Gesundheitskompetenz der Patient*innen zu stärken.

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