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Hausärzteverband an der Seite der "hausärztlichen KV-Kämpen"

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

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Sollen die Hausärzte jetzt für das KV/EBM-System kämpfen? Oder eher – wenn schon die KBV selbst den Sicherstellungsauftrag infrage stellt – mit Geduld auf die Strategie des Deutschen Hausärzteverbandes für HzV-Vollversorgungsverträge vertrauen? Beim 35. Deutschen Hausärztetag in Berlin schaffte der Verband den Spagat.

Auf dem Hausärtzeverbandtag zeichnete DHÄV-Chef Ulrich Weigeldt die Verbandslinie: Natürlich muss gegen die „Unverschämtheiten“ des GKV-Spitzenverbandes protestiert werden, doch das Problem der Unterfinanzierung werde sich so nicht lösen lassen.

Auch eine Befragung der Vertragsärzte und -psychotherapeuten, unter welchen Bedingungen der Sicherstellungsauftrag akzeptabel sei, diene letztlich der Rettung des Systems. Sollen doch die Krankenkassen selbst die Verantwortung für die Sicherstellung der Versorgung übernehmen – und dazu Direktverträge abschließen.

Als leuchtendes Beispiel fungiert hier die AOK Baden-Württemberg, deren Vorstandsvorsitzender Dr. Christopher Hermann bei der Eröffnungsveranstaltung des Haus­ärztetages kritisierte: „Ritualen frönen in Berlin für einige und Frust schieben in den Regionen für alle – das wollen wir nicht.“

10.10.2012: Aktionstag der Allianz der Ärzteverbände

Mit Demos vor den Zweigstellen gesetzlicher Krankenkassen und ggf. Praxisschließungen sollen Ärzte und MFA am 10. Oktober zeigen, was sie von den Entscheidungen im Erweiterten Bewertungsausschuss halten. Im Vorfeld der Gespräche am 4. und 9. Oktober hat die Allianz der Ärzteverbände mit der Ankündigung des „Aktionstages“ den öffentlichen Druck auf die Kassen erhöht. Die Kundgebungsorte werden unter www.praxis­teams-deutschland.de genannt. Freigeschaltet ist nun auch das Krankenkassenbewertungs- und Umfrageportal der KBV: Öffnet externen Link in neuem Fensterhttp://krankenkassen-navigator.kbv.de.

 

Die DHÄV-Spitze hält an ihrem Weg der Selektivverträge fest, will aber endlich von der Fessel der Beitragssatzstabilität nach Absatz 5a des § 73b SGB V befreit werden.

Solidarisch will man schon sein, aber ...

DHÄV-Hauptgeschäftsführer Eberhard Mehl betont: „Es wird das KV-System noch lange geben – und wir müssen auch dort erfolgreich sein. Wir erwarten allerdings, dass unsere Leute im KV-System unsere Position umsetzen.“ Hat irgendein EBM den Hausärzten mehr Geld gebracht?, fragte Mehl rhetorisch. Man wird an der Seite der hausärztlichen KV-Kämpen stehen. Aber auch Mehl glaubt nicht, dass sich mit den vorgesehenen Protestmaßnahmen und Drohungen die grundsätzlichen Probleme lösen lassen.

5 bis 10 % mehr Honorar für die Hausärzte

DHÄV-Chef Weigeldt riet den Delegierten, sich nicht von derzeitigen Aufgeregtheit anstecken zu lassen, „sondern auf die eigenen Beschlüsse zu vertrauen“. Wer zu große Hoffung wecke und diese dann nicht erfüllen könne, werde wieder Frus­tration erzeugen. Der DHÄV hat für die Verhandlungen von KVen und Kassen eigene Forderungen aufgestellt (5 % mehr Honorar für die Hausärzte bzw. 10 % mehr für die Benachteiligten in NRW, Hamburg oder Schleswig-Holstein sowie ein 1 Mrd.-Euro-Förderfonds für Landärzte). Weigeldt hat dazu noch „kein Echo“ gehört.

Fallwerte von bis zu 85 Euro

Dafür verspürt der Hausärzteverband wieder mehr Schwung in der HzV. In Nordrhein freuen sich z.B. die bis zu 2500 Kolleginnen und Kollegen, die an den Verträgen mit der Techniker Krankenkasse bzw. der IKK Classic teilnehmen, über durchschnittliche Fallwerte von bis zu 85 Euro. Das sei die Größenordnung, wie man vorausgesagt habe, die aber viele Kollegen nicht glauben wollten, erzählt Landesverbandschef Dr. Dirk Mecking.

Zwar seien in Nord­rhein erst 18 000 Versicherte und in Westfalen-Lippe 22 000 Versicherte in die HzV eingeschrieben, aber in Baden-Württemberg wurde auch mal klein angefangen. Dr. Mecking erwartet stark steigende Zahlen, zumal nun auch der geschiedste Vertrag mit den anderen Kassen gelebt werden kann, nachdem AOK & Co. bei den Teilnahme-Unterlagen erst auf Zeit gespielt haben. Beim geschiedsten HzV-Vertrag kalkuliert der Verband mit einem Fallwert von ungefähr 65 Euro, da der Schiedsspruch aufgrund der Gesetzeslage nur ein Plus von 10 % aufs Bereinigungshonorar vorsieht.

Auch in Hessen kann es 2013 mit der HzV der AOK losgehen. Nach der Schiedsentscheidung unterschrieben jetzt Landesverband und Kasse eine ausgehandelte Anlage, die beiden Seiten Vorteile bringt und der nun nur noch das Ministerium zustimmen muss, berichtete Eberhard Mehl als Vorsitzender der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft HÄVG.

Rechenzentrum mit der Deutschen Telekom

Für die Abrechnung der hessischen HzV, aber auch weiterer Verträge, will sich die HÄVG der Dienste der Telekom bedienen. Angekündigt ist ein gemeinsames Rechenzentrum mit Sitz in Köln, an dem die Telekom die Mehrheit hält. Dennoch schließe der Gesellschaftervertrag eine Einflussnahme der Telekom auf politische oder selektivvertragsrelevante Entscheidungen aus; die HÄVG habe auch ein Veto-Recht.

Hausarztprogramms der AOK Baden-Württemberg evaluiert

Als HzV-Argumentationshilfe gegenüber den Kassen dienen den Landesverbänden nun auch die ersten Ergebnisse der Evaluation des Hausarztprogramms der AOK Baden-Württemberg. Damit lassen sich Befürchtungen, wie „Es werden bevorzugt Gesunde eingeschrieben und Multimorbide zum Facharzt weitergeschickt“, widerlegen.

Allerdings zeigt sich auch, dass die Ärzte mehr Zeit aufwenden. Ob dies ein Phänomen der Anfangsphase ist und später z.B. durch vermeidbare Wiedereinbestellungen kompensiert werden kann, wird die Datenauswertung der folgenden Jahre zeigen.

Nach Angaben des DHÄV sind derzeit bundesweit rund 15 000 Hausärzte (davon 9600 in Bayern und Baden-Württemberg) sowie 2,7 Mio. Versicherte in 37 HzV-Vollversorgungsverträgen eingeschrieben. Von diesen Verträgen kamen 18 freiwillig und 19 durch Schiedsentscheidungen zustande. 3600 Versorgungsassistentinnen (Verah) gibt es in Hausarztpraxen. Der DHÄV hat über 30 000 Mitglieder bzw. einen Organisationsgrad von rund 50 %.

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