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Heilkundeübertragung: Verlieren Ärzte zukünftig ihre Aufgaben?

Gesundheitspolitik Autor: Klaus Schmidt

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Gemeinsamer Bundesausschuss beschließt Richtlinie zu arztentlastenden Leistungen - eine Heilkundeübertragung auf Angehörige der Kranken- und Altenpflegeberufe soll erprobt werden.

Eine entsprechende Richtlinie hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in Berlin beschlossen. Drei Jahre lang hatte der G-BA beraten. Jetzt war der Beschluss fällig, wie der G-BA-Vorsitzende Dr. jur. Rainer Hess beim 70. Bayerischen Ärztetag in München erklärte.


Dr. Hess sprach von einer Zerreißprobe, denn alle Befürworter und Gegner der Übertragung heilkundlicher Tätigkeiten saßen im G-BA-Unterausschuss an einem Tisch. Die Begriffe Delegation und Substitution würde Dr. Hess am liebsten nicht benutzen, sondern lieber von Übertragung reden.


Die Richtlinie über die Modellvorhaben gilt für Krankenhäuser und für die ambulante Versorgung. Beispiele für eine solche „selbstständige Ausübung von Heilkunde“ sind etwa spezifische Infusionstherapien, Wund- oder Schmerztherapie durch Kranken- und Altenpflegerinnen und -pfleger. Vieles davon sei in den Krankenhäusern längst gang und gäbe, betonte Dr. Hess.

Heilkundeübertragung: in den USA seit Jahren Realität

Wenn eine Schwester ordentlich qualifiziert sei, dann könne sie auch arztentlastende Tätigkeiten ausüben. In anderen Ländern wie etwa den USA sei das schon seit Jahren Realität. Der G-BA-Vorsitzende betonte, er wolle eine saubere Haftungsabgrenzung für das, was heute schon Usus sei. Es gehe dabei nicht um Indikation oder Diagnose.


Der Arzt bleibe veranwortlich, auch wenn er Pflege verordne. Im ambulanten Sektor sei die Übertragung an Pflegekräfte schwieriger zu handhaben, weil die Ärzte die Pflegenden und ihre Qualifikation nicht kennen. Diese hätten nach der Richtlinie nun drei bis vier Jahre Zeit, die entsprechende Qualifikation zu erlangen. In dieser Zeit könnten die Ärzte auch ihre Fachangestellten qualifizieren und sie für heilkundliche Tätigkeiten, etwa bei Hausbesuchen, einsetzen. Dann hätten sie das Feld auf jeden Fall für sich besetzt.

Ja zur Delegation, nein zur Substitution

Bayerns Gesundheitsminister Dr. Markus Söder zeigte auf dem Ärztetag Verständnis für die Ängste der Ärzte vor einem möglichen Verlust an Verantwortung und finanziellen Mitteln. Er sage Ja zur Delegation, aber Nein zur Substitution, betonte er. Auf Dauer gehe es auch um die Zukunft des Arztes, wenn zu entscheiden sei, ob Pflegekräfte mehr machen dürfen als bisher.


Im Moment gebe es z.B. für diese keine Qualitätssicherung wie bei den Ärzten und auch keine so lange Aus- und Weiterbildung. Deshalb sei für ihn die Grenze erreicht, wenn die Diagnose- und Therapiefreiheit des Arztes betroffen sei. Dr. Söder verwies auf die demografische Entwicklung in der Bevölkerung und der Ärzteschaft. Künftig seien größere Lücken in der Versorgungslandschaft zu erwarten. Man komme also um den Einsatz weiterer heilkundlich Tätiger nicht herum.

Bessere Patientenversorgung durch Heilkundeübertragung

Dr. Max Kaplan, Hausarzt und Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, sieht in der Delegation ärztlicher Leistungen an dafür qualifizierte Mitarbeiter, insbesondere wenn sie durch den Arzt selbst für diese Aufgaben zertifiziert wurden, eine Entlastung und Unterstützung für den Arzt, was Valenzen für die Patientenversorgung schaffe.


Die ärztliche Gesamtverantwortung für Diagnose und Therapie müsse aber auf jeden Fall gewahrt bleiben. Es gelte immer der Facharztstandard. Wenig hält Dr. Kaplan jedoch von einem abschließenden Katalog delegierbarer Leistungen, der ständig aktualisiert werden müsste. Kammer- Vizepräsident Dr. Klaus Ottmann warnte: Je mehr Leistungen delegiert würden, desto eher komme irgendwann auch die Forderung nach Bezahlung. „Das zieht einen Rattenschwanz nach sich.“

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