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Praxiskolumne Herr Scholz, Sie dürfen liefern!

Autor: Dr. Günter Gerhardt

Hausärzte sollten die Wertschätzung der ­Patienten nutzen, um sich für ihre Interessen einzusetzen. Hausärzte sollten die Wertschätzung der ­Patienten nutzen, um sich für ihre Interessen einzusetzen. © TeraVector – stock.adobe.com; MT
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Mit Erfahrung, Kraft und Ideen will Olaf Scholz Deutschland nach vorne bringen. Gehört auch eine überfällige Reform des Gesundheitswesens dazu?

Seit Anfang 2020 konnte der SPD-Politiker pandemiebedingt eigene Erfahrungen hinsichtlich der medizinischen Versorgung sammeln. Ergänzt wurden diese durch die Ereignisse im Sommer 2021 im Ahrtal, wo es sowohl um die medizinische Versorgung der Bevölkerung ging als auch um finanzielle Unterstützung beim Wiederaufbau von Wohnhäusern und Arztpraxen. Es wird dem künftigen Bundeskanzler zudem nicht verborgen geblieben sein, wie gut unser selbstverwaltetes Versorgungssystem diese beiden Herausforderungen meistert und uns in der Pandemie vor Schlimmerem bewahrt.

Doch als ein „Dankeschön“ beschert man uns mitten in der Pandemie eine Honorarsteigerung für das kommende Jahr von 1,275 %. Die KBV bezeichnet das vor dem Hintergrund, dass das SGB V bei den jährlichen Verhandlungen zum Orientierungswert realistischerweise keinen Werterhalt für die Vergütung der ärztlichen Leistung mehr ermöglicht, als akzeptabel. Diese Ohnmacht in den Verhandlungen hat sich in der Tat über die Jahre so entwickelt – es besteht hier dringender Reformbedarf.

Außerdem fordert die AOK mangels Nutzen für die Patienten (!) eine Rücknahme der extrabudgetären Vergütung für Neupatienten, die das Terminservicegesetz vorsieht. Dann sollen die Anpassungsfaktoren der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung für das Jahr 2023 gesetzlich auf null festgelegt werden. Zudem will man an die Vergütung für die Corona-Impfung ran. So heißt es in einem AOK-Papier: „Für die mittelfristige Übernahme der Impfkosten durch die GKV müssen die Kosten der ärztlichen Vergütungen für Impfungen und für die Durchführung der PCR-Tests sowie für die Beschaffung der Impfstoffe abgesenkt werden. Die Verhandlungsinstrumente der GKV sind hierfür zu schärfen.“ Und das alles vor dem Hintergrund, dass wir uns immer noch in einer sich rasant entwickelnden vierten Coronawelle mit steigenden Fallzahlen, mehr Krankenhauseinweisungen und mehr Patienten (auch zweifach geimpften) auf den Intensivstationen befinden.

Der ambulante Bereich, in dem es keine Einsparpotenziale gibt, wird mit existenzgefährdenden Sparmaßnahmen geknechtet. KVen und KBV verfügen über keine wirksamen Waffen (s.o. Ohnmacht). Aber wir können und müssen reagieren. Der KBV-Vorstand hofft ebenfalls auf eine Reaktion der Niedergelassenen, wohl wissend, dass nur die angestellten Ärzte streiken dürfen. Aber es gäbe da ja noch den Dienst nach Vorschrift und den Druck von der Straße. Gerade jetzt in der Pandemie ist die Wertschätzung der Patienten für uns im niedergelassenen und stationären Bereich groß. Diese Wertschätzung gilt es zu nutzen.

Die AOK hat eine Umfrage in Auftrag gegeben: Wo im deutschen Gesundheitssystem sieht die Bevölkerung mit Blick auf die neue Legislaturperiode besonderen Handlungsbedarf? Ein Kritikpunkt war dabei die mangelnde Koordination der Akteure. Wer sind die Akteure? Die Antwort gibt die AOK selbst: Patienten und Versicherte, für die nicht immer sichergestellt ist, dass sie mit ihrem Anliegen an die richtigen Ansprechpartner weitergeleitet werden.

Darum können wir uns doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, kümmern. Denken Sie doch nur mal an die Vereine, Selbsthilfegruppen etc., in denen unsere Patienten organisiert sind. Wir werden doch mehr oder weniger häufig von Versicherten, die sich in einem Verein oder einer Selbsthilfegruppe treffen, zu Vorträgen mit anschließender Diskussion eingeladen. In deren Verlauf kommen sowohl die Sorgen und Nöte der Bürger (Patienten) zur Sprache als auch unsere. Glauben Sie nicht auch, dass wir mit diesem flächendeckenden Einsatz eine große Zahl von Menschen erreichen könnten, um notwendigen Veränderungen unseres Gesundheitssystems, die Ärzten und Patienten gleichermaßen auf der Seele brennen, politisches Gehör zu verschaffen?

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