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Höchste Zeit

Autor: Erich Kögler

Seit 1.Oktober können nun auch Mann und Mann, Frau und Frau ihre Beziehungen rechtlich den Heteros gleichgestellt leben. Seit 1.Oktober können nun auch Mann und Mann, Frau und Frau ihre Beziehungen rechtlich den Heteros gleichgestellt leben. © iStock/YinYang
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Endlich, die gleichgeschlechtliche Ehe – in unserer Meinungskolumne "Mit spitzer Feder".

Am 1. Oktober, einem Sonntag, standen die ersten gleichgeschlechtlichen Paare vor deutschen Standesbeamten, um endlich die vieldiskutierte „Ehe für alle“ zu schließen. Noch gut drei Monate zuvor hätten sie das wohl für unmöglich gehalten. Zu lange hatte der Kampf um die Gleichstellung zuvor gedauert, zu erbittert hatten sich konservative Kräfte dagegen gewehrt, zu lange waren sie vom Gesetzgeber mit der „Eingetragenen Lebenspartnerschaft“ abgespeist worden.

Aber dann war es plötzlich doch ganz schnell gegangen, nachdem die Bundeskanzlerin im Juni in der ihr eigenen Sprache gesagt hatte: „Ich möchte die Diskussion mehr in die Situation führen, dass es eher in die Richtung einer Gewissensentscheidung geht, als dass ich jetzt per Mehrheitsbeschluss irgendwas durchpauke!“ SPD-Kandidat Martin Schulz witterte Morgenluft und zwang den Koa­litionspartner, noch in der Folgewoche im Bundestag darüber abstimmen zu lassen.

„Damals“ durfte der Arzt homosexuellen Partnern keine Auskunft geben

Das Ergebnis ist bekannt. Während sich die Sozialdemokraten noch diebisch über diesen vermeintlichen Handstreich freuten, ging Angela Merkel in gewohnter Manier zur Tagesordnung über. Wieder einmal hatte sie dem Gegner ein Unterscheidungsmerkmal und ein Wahlkampfthema geklaut. Diese Politik, die Ideen anderer Parteien auszusitzen, bis sie gesellschaftsfähig sind, hat sich schon oft als erfolgreich erwiesen. So war es beispielsweise schon beim Ausstieg aus der Atomenergie, bei der Aufgabe der allgemeinen Wehrpflicht und bei der Einführung des Mindestlohns. Und stets blieb der SPD, den Grünen und den Linken nur der Seufzer: „Es war doch eigentlich unser Ding!“

Den knapp 100.000 gleichgeschlechtlichen Paaren in der Bundesrepublik dürfte diese Vorgeschichte relativ wurscht sein. Deren rechtliche Gleichstellung war längst fällig, schließlich leben wir im 21. Jahrhundert! Deutschland ist das 24. Land auf der Welt, das die gleichgeschlechtliche Ehe zulässt. Sie ist vor allem in Europa, aber auch in Nord- und Südamerika verbreitet. In mehr als siebzig Ländern – überwiegend in Afrika und Asien – steht Homosexualität unter Strafe, in einigen droht Homosexuellen gar noch immer die Todesstrafe. Auch hierzulande tat sich der Gesetzgeber diesbezüglich lange schwer. Der Paragraph 175 des deutschen Strafgesetzbuchs stellte bis 1994 sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe. Erinnern Sie sich noch: Am Anfang des Jahrtausends durfte man als Arzt dem Partner eines schwulen Patienten oder einer lesbischen Patientin keine Auskunft über dessen bzw. deren Gesundheitszustand geben. Ein elender Zustand für alle Beteiligten!

Das ist Gott sei Dank nun endgültig Geschichte. Endlich können nun auch Mann und Mann, Frau und Frau ihre Beziehungen rechtlich den Heteros gleichgestellt leben. Die meisten von ihnen haben dieselben Werte, haben eine ernsthafte Beziehung und stehen füreinander ein. Wo also ist der Unterschied? Das müssen irgendwann auch die erzkonservativen Gegner der jüngsten Entwicklung kapieren. Bis das der Fall ist, wird auch die Software in den Standesämtern der aktuellen Gesetzeslage Rechnung tragen können. Am 1. Oktober war das noch nicht der Fall. Die Behördencomputer kannten da nach wie vor nur die Einordnung in die Kategorien „Ehemann“ und „Ehefrau“…

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