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Hörgeräteakustiker statt Landärzte?

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

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Sollen nicht ärztliche Gesundheitsberufe ärztliche Leistungen übernehmen? Ärzte sehen die Delegation von Leistungen als nützlich an, lehnen aber eine Substitution ab. Doch der Wind könnte sich drehen.

Dr. Theodor Windhorst, Ärztekammerpräsident von Westfalen-Lippe, steht der Substitution, also der Ausgliederung ärztlicher Leistungen an andere Gesundheitsberufe, kritisch gegenüber. „Wir sind die Kümmerer“, sagte der Chirurg beim 44. Symposium für Ärzte und Juristen. Er verweist auf die lange Ausbildungszeit der Mediziner und deren Erfahrung. Deshalb sei Deutschland so sicher für Patienten: „Für die Qualität der Patientenversorgung muss die ungeteilte Verantwortung über Diagnostik und Therapie sowie das finanzielle Budget beim Arzt liegen.“

Substitution, z.B. durch Physio- oder Ergotherapeuten, kann sich Dr. Windhorst nur vorstellen, wenn die gesamte rechtliche und finanzielle Verantwortung vom Arzt an die substituierende Seite übergeht, eine umfassende Ausbildung zugrunde liegt und Studien die Machbarkeit belegen. Allerdings gebe es noch immer kein einziges Modellvorhaben. Positiv sieht er allerdings die Delegation von Leistungen an Verahs und Evas. Je niedriger die Gefährdung des Patienten, umso eher sei eine Aufgabenübertragung möglich.

Der ehemalige KBV-Chef Dr. Manfred Richter-Reichhelm verweist auf eine Umfrage unter Studenten von 2014. Danach seien 51 % der Befragten bereit, künftig Leistungen per Substitution abzugeben. „Jetzt werden noch Pfründe verteidigt, die junge Generation denkt anders – mal sehen, was in 20 Jahren ist“, so der Urologe. Er erinnert dar­an, dass der Rat der Gesundheitweisen neue Kooperationsmuster sowie eine Aufgabenteilung zwischen den Professionen empfiehlt. Deutschland bilde hier in Europa das Schlusslicht, kritisiert Dr. Richter-Reichhelm. Lediglich Hebammen könnten Leistungen im Direktzugang erbringen. In Großbritannien und in den Niederlanden sei dies auch für Podologen, Diätassistenten, Logopäden, Ergo- und Physiotherapeuten möglich.

„Es muss um Kompetenz, nicht um Prestige gehen“

Auch Thomas Meißner, Präsidiumsmitglied im Deutschen Pflege­rat, fordert einen Paradigmenwechsel und eine „grundlegende Reform aller Gesundheitsberufe“, mit neuer Ausrichtung der Ausbildung. „Im Gesundheitswesen des 21. Jahrhunderts muss es um Kompetenz, nicht um Prestige gehen“, sagt er. Der Verteilungskampf ums Geld blockiere oft die Innovation.

Interesse an der Substitution meldet auch der Hauptgeschäftsführer der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker, Jakob Stephan Baschab, an. Im ländlichen Raum sollte der Einsatz nicht ärztlicher Gesundheitsberufe geprüft werden. Sie könnten einen Beitrag zur Abmilderung ärztlicher Unterversorgung leisten. Auch bei der Versorgung von Handicap-Patienten könnten die 26 000 Fachbetriebe einbezogen werden.

Die Patientenbeauftragte für Berlin, Karin Stötzner, bedauert, dass der Vorstoß der Politik zur Substitution „in den Gremien der Selbstverwaltung hängen geblieben“ ist. Das Vertrauen und die Erwartungen der Patienten seien nicht auf eine bestimmte Person oder Berufsgruppe gerichtet. Patienten sähen Heilung als eine arbeitsteilige Sache an. Ärzte spielten dabei eine besondere Rolle. „Das ist aber historisch gewachsen und wie alle anderen Bilder änderbar“, so Stötzner.

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