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Honorarreform: Liebe KBV, macht endlich eure Haus(arzt)-Aufgaben!

Gesundheitspolitik Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Über Abwertung stark technischer Leistungen wird Geld frei. Der Gesetzgeber will damit zuwendungsintensive Leistungen fördern. Über Abwertung stark technischer Leistungen wird Geld frei. Der Gesetzgeber will damit zuwendungsintensive Leistungen fördern. © MT; iStock/alashi
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Im September 2018 hatten sich KBV und GKV-Spitzenverband mit Blick auf das kommende TSVG auf eine Verschiebung der EBM-Novellierung verständigt. Nun tagt seit Monaten ein KBV-Gremium, das eine Entscheidung im Bewertungsausschuss vorbereiten soll. Von den nötigen Änderungen im Hausarzt-Kapitel ist allerdings nichts in Sicht.

Bereits die schnelle Rücknahme der Forderung nach Anhebung des Hausbesuchshonorars zum 1. Januar 2019 nährte den Verdacht, dass die KBV bei den anstehenden Verhandlungen zum EBM die Haus-ärzte wieder einmal vergessen hat. Auch wenn die Kassen das Hausbesuchshonorar sogar neu bewerten wollten: Die KBV fordert lediglich eine Stärkung der Grundversorgung durch Entbudgetierung der Grund- und Versichertenpauschalen. Das würde den Hausärzten aber gar nichts bringen. Denn die Versichertenpauschale fällt unter das Budget des RLV, ist dabei aber deutlich niedriger bewertet als das RLV-Volumen und wird deshalb de facto schon immer extrabudgetär vergütet.

Eine Einigung auf eine angemessene Vergütung von Hausbesuchsleistungen innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) wäre also ein Scheinerfolg; die Höherbewertung der Hausbesuche würde nur zulasten anderer typischer hausärztlicher Leistungen wie der Chronikerpauschalen oder der Gesprächsleistungen gehen. Was müsste die KBV also stattdessen tun? Sie müsste eine konsequente Forderung nach Entbudgetierung der unter das Honorarbudget fallenden hausärztlichen Leistungen Hausbesuche und Gesprächsleistungen platzieren.

Chronikerpauschalen sind chronische Regressdrohungen

Geradezu fahrlässig ist auch der Umgang der KBV mit einem anderen wichtigen Honorierungselement im Hausarzt-EBM. Mit einer Änderung des EBM zum 1. Oktober 2013 akzeptierte sie etwa eine von den Kassen gewünschte Definition des Leis­tungsinhaltes der Chronikerziffern 03220 und 03221 EBM. Mittlerweile hat man zwar eingesehen, dass die aktuelle Chronikerreg­elung – insbesondere die 4-Quartals-Regelung – eine potentielle Regressgefahr in sich birgt.

Deswegen wurde der KBV-Vorstand ja auch wiederholt von der Vertreterversammlung beauftragt, sich für die Streichung des Vorquartalsbezuges bei den EBM-Leistungen 03220 und 03221 sowie 04220 und 04221 einzusetzen. Und auch im Rahmen der Honorarverhandlungen für das Jahr 2019 wurde eine Streichung der 4-Quartals-Regelung und die Bindung der Chronikerpauschalen an eine Dia­gnosenliste sowie die Einführung eines Multimorbiditätszuschlags angestrebt. Passiert ist bisher aber nichts!

So setzt das TSVG Honorarvolumen frei

Eine Lösung für diese beiden vordringlichen hausärztlichen Honorierungsprobleme bietet ein neuer Absatz im SGB V, der dort in Folge des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) installiert wurde (§ 87 Absatz 2 Satz 3). Galt bisher bereits, dass regelmäßig zu prüfen ist, ob die Leistungsbeschreibungen und ihre Bewertungen dem Stand von Wissenschaft und Technik sowie den Erfordernissen der wirtschaftlichen Leistungserbringung entsprechen, wurde hier jetzt eine konkrete Aufforderung in den Gesetzestext aufgenommen: Der Bewertungsausschuss (BWA) muss die nächste Überprüfung und entsprechende Aktualisierung des EBM spätestens bis zum 29. Februar 2020 durchführen, und zwar insbesondere mit Blick auf die wirtschaftliche Nutzung medizinisch-technischer Geräte. Grundlage der Prüfung der betriebswirtschaftlichen Basis medizin-technischer Leistungen sollen die vom Statistischen Bundesamt erhobenen Daten der Kostenstruktur sein.

Und bis zum 31. August 2019 muss der Bewertungsausschuss auch bereits ein Konzept vorgelegt haben, wie er die verschiedenen Leistungsbereiche im EBM einschließlich der Sachkosten anpassen wird. Dabei soll die Bewertung der Leistungen mit einem hohen technischen Leistungsanteil, die in einem bestimmten Zeitraum erbracht werden, insgesamt so festgelegt werden, dass die Punkte, die im EBM für diese Leistungen vergeben werden, ab einem bestimmten Schwellenwert mit zunehmender Menge sinken.

Der Auftrag an die KBV ist eigentlich eindeutig

Im Referentenentwurf des Gesetzes war sogar vorgeschrieben, dass eine Nutzung dieser Rationalisierungsreserven zur Förderung der „sprechenden Medizin“ bis 30. September 2019 erfolgen muss. Diese Vorgabe konnte die KBV verhindern. Nichtsdestotrotz besteht aber der eindeutige Gesetzesauftrag, EBM-Leistungen mit einem hohen Anteil an technischer Leistung nach dem Standardbewertungssystem der KBV (STABS) abzuwerten und aus dem frei werdenden Honorarvolumen persönliche, zuwendungsintensive Leistungen besser zu vergüten.

Dann müsste ja Geld für Hausbesuche da sein – oder?

In einer Stellungnahme von Juli 2018 hat die KBV die Auffassung vertreten, dass die bewährten Instrumente des Leistungserbringerrechts in ihren Kompetenzen unangetastet bleiben sollten und die getroffenen Vorgaben dem Grunde nach der derzeit diskutierten EBM-Reform entsprechen würden. An diesem „Versprechen“ wird man die Ehrenhaftigkeit der KBV und die Arbeit der beauftragten Ausschüsse nun messen müssen. Bei einer sachgerechten Neubewertung technischer Leistungen im EBM wird zweifelsohne genügend Honorarvolumen freigesetzt werden, um eine Honorierung der hausärztlichen Chronikerpauschalen ohne die bisherigen sachfremden Auflagen sowie ein extrabudgetäres Honorar für Hausbesuche darzustellen.

Der Gesetzgeber hat also endlich die Notwendigkeit einer angemesseneren Vergütung der zuwendungsintensiven Medizin erkannt. Werden die Gelder aus der Abwertung medizin-technischer Leistungen von der KBV dazu im neuen EBM nicht zur Verfügung gestellt, wird der Gesetzgeber erneut in der Pflicht sein, einzugreifen.

Medical-Tribune-Bericht

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