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IGeL-Verkaufstraining für Ärzte?

Autor: Dr. Robert Oberpeilsteiner

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Mit dem IGeL-Bauchladen das Geschäft ankurbeln - bis zu 3000 Euro gibt es vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Und der Bundeswirtschaftsminister? Auf ehemalige Kollegen ist eben Verlass!

Also bitte, versuchen wir es gemeinsam, alleine habe ich es nicht geschafft. Versuchen wir herauszufinden, wozu wir um Himmels willen Kataloge erstellen wie ein Versandhaushändler. IGeL-Kataloge. Das sperrige Wort IGeL ist die Abkürzung für „Individuelle Gesundheitsleistungen“. Erfunden haben soll diese „Methode-Neckermann“ für den selbstständigen Medizin-Vermarkter – ja, wer wohl? – die KBV. Im Jahr 1997 gab sie den ersten Empfehlungskatalog heraus. Mickrige 80 Therapien waren das damals. Heute sind es, je nach Katalog, mehrere Hundert.

Warum man sich gerade den Igel, diesen borstigen Burschen für die Werbekampagne ausdachte, bleibt wohl für immer ein Geheimnis. Man hätte es doch auch viel kuscheliger in der Tierwelt haben können. Warum nicht KoaLa (Kostenpflichtiges alternatives Leistungsangebot) oder etwa PaNdA (Persönliches auf Nachhaltigkeit determiniertes Angebot). Aber vielleicht ahnten die Väter des Werbetierchens damals schon, das Ganze würde eine ziemlich stachelige Angelegenheit werden.

IGeL-Kataloge: Wie die Speisekarte in der Würstchenbude

Das aber nur nebenbei. Denn mittlerweile hat sich eine IGeL-Diskussion wie ein Krebsgeschwür ausgebreitet. Es gibt diverse Kataloge, die sich alle als unverbindlich bezeichnen. Unaufgefordert haben sich bereits Heerscharen von Pharmakologen, Naturwissenschaftlern und Versicherungsagenten über Sinn und Unsinn unverbindlicher Therapien ausgelassen.

Zusätzlich arbeitet sich der medizinische Dienst der GKV mit wissenschaftlichen Expertisen an eben diesen Leistungen ab, die die Kassen indes nicht bezahlen wollen. So, als hätten sie nichts Besseres zu tun. Aber vielleicht ist dem MD einfach langweilig. Ich kann mir also einen Kommentar über die Seriosität der Leistungen ersparen. Auch wenn dies für einen Kolumnisten hart an innere Zensur grenzt. Aber es muss letztendlich jeder selbst entscheiden. Schließlich hat er/sie Medizin studiert, die GOÄ zur Hand und soll nach Wissen und Gewissen seine Patienten behandeln.

Man kann es freilich auch so sehen: Der Patient kommt, weil er Gesundheit will oder Besserung von Beschwerden. Wir aber halten ihm dafür einen Katalog hin, wie eine Speisekarte in der Würstchenbude. Denn, das Missliche an dieser Situation ist ja auch, wir sollen ihm, dem Patienten, Leistungen nicht zu sehr empfehlen, das könnte ein Missbrauch des Vertrauensverhältnisses sein. Also wird argumentativ rumgedruckst und geschwurbelt. Aber ich wollte ja nicht kommentieren.

Kollege Dr. Rösler sorgt für unser IGeL-Verkaufstraining - wie nett!

Lässt sich der Unsinn noch toppen? Aber ja. Die Politik fördert Ärzte, die zu wenig einfallsreich zum Erfinden und Abrechnen von IGeL-Leistungen sind, in Kommunikationstrainings mit staatlichen Mitteln. Bis zu 3000 Euro gibt es aus Fördergeldern vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Dies ist eine Behörde des Bundeswirtschaftsministeriums. Wirtschaftsminister ist, wie wir wissen, unser Philipp Rösler. Ehedem Gesundheitsminis­ter, Kollege und (auch weiterhin) Dr. med. Na, klingelt es irgendwo? Genau! Es ist immer wieder schön, wenn wir uns auf alte Kameraden verlassen können!

Doch genau gegen diese „Verschwendung von Steuergeldern“ protestiert jetzt Biggi Bender, die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen. Und recht hat sie, finde ich. Wobei die werte Frau Bender (ich verwende ihren Vornamen nicht öfter als unbedingt nötig, denn ich bekomme jedesmal sofort eine Schreibhemmung) den eigentlichen Skandal in der ganzen Sache hoffentlich nicht übersieht. Denn Kollege Rösler hat ihr ein Kuckucksei ins grüne Nestchen gelegt.

Ärzte brauchen zwei IGeL-Verkaufstraining - Ärztinnen unendlich viele??

Während bei Ärzten nur zwei Coachings gefördert werden, soll die Anzahl bei Angehörigen des weiblichen Geschlechts unbegrenzt sein. Da sind ja die ollen Kamellen – Frauen können nicht Auto fahren – noch witziger. Dass Frauen angeblich länger brauchen, bis sie endlich kapiert haben, wie sie ihre IGeL verscherbeln – pardon, mit den Patienten kommunizieren – können, sollte möglichst bald sehr offensiv in der Antidiskriminierungskommission der Grünen (die haben sie doch hoffentlich?) diskutiert werden.

Es ist ja nicht so, dass ich nicht auch manchmal igele. Vor einigen Jahren trieb ich damit „meinem Griechen“ das Rauchen aus. Wenn zu später Stunde im „Restaurant Akropolis“ die Küche schloss, haben wir oft noch gerne im kleinen Kreis zusammengesessen auf ein Reise-Achterl. Wir quatschten, tranken Ouzo, Merkel war noch kein echtes Thema, dafür Rehagel und der Fußball. Dabei rauchte mein Grieche wie ein Türke (die ja mittlerweile selber ein strenges Rauchverbot haben) und jammerte jedes Mal, dass er schon mehrmals mit dem Rauchen aufgehört hatte, es aber nie durchhalten konnte. Ich wusste, von Akupunktur hielt er nichts. Ebenso wenig von ähnlich seriösen medizinischen Großtaten.

Daher griff ich zur Holzhammer-Methode: der gesellschaftlichen Ausgrenzung. Ich bat ihn, an meinem Tisch nicht mehr zu rauchen. Echt repressiv. Er saß dann um Mitternacht am Nebentisch wie ein Aussätziger. Den Kopf gesenkt, schuldbewusst, die Zigarette unter dem Tisch versteckt. Wir mussten ziemlich laut schreien, damit die Unterhaltung gelang. Ich blieb aber hart. Und er hörte wirklich zu rauchen auf. Ich bin mir sicher, diese IGeL-Leistung – abzurechnen nach GOÄ (1 Flasche Ouzo) – wird in den Kommunikationstrainings nicht gelehrt. Aber die Frage, wozu wir IGeL-Kataloge brauchen, ist damit immer noch nicht beantwortet.

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