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Ihre gewünschte Gesundheit ist zurzeit nicht lieferbar

Autor: Dr. Jörg Vogel

Wer sich von Zulieferern abhängig macht, ist im Extremfall ausgeliefert. Wer sich von Zulieferern abhängig macht, ist im Extremfall ausgeliefert. © andersphoto – stock.adobe.com; MT
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Lieferengpässe bei Medikamenten: Wenn Stürme, amerikanische Präsidenten oder andere Katastrophen der Versorgung dazwischenkommen.

Nahezu täglich klingelt in der Sprechstunde das Telefon und eine verzweifelte Apothekerin ruft an. Vor ihr stehe ein Patient von mir. Sein langjähriges Medikament sei zurzeit nicht lieferbar. Es wäre auch kein Ersatz in Sicht. Heute handele es sich um Olmesartan. Das Original sei zwar vorhanden. Aber dieser Mensch wolle die rund siebzig Euro Differenz zum Festbetrag einfach nicht bezahlen.

Nun war in den vergangenen Jahren schon immer mal etwas nicht lieferbar. Meist ging es um seltene Medikamente oder Re­importe. Gut, dann bekam der Kranke (oder zu Impfende) eben das Original mit derselben Zuzahlung. Dem Patienten war’s recht. Nur der Krankenkasse wahrscheinlich nicht so richtig.

Dann gab es dieses Aut-idem-Kreuz, das zumindest empfindlichen oder alten Menschen „ihr Medikament von ihrer Firma“ garantieren sollte. Es wurde aber zunehmend von den Apotheken ignoriert. Dem Patienten stand das Billigste zu, nämlich das Vertragsmedikament seiner Krankenkasse. Anfangs wurde ich deswegen noch angerufen, später nicht mehr. „Angekreuztes Medikament nicht lieferbar“ hieß es lapidar. War das wirklich so?

Inzwischen ist ein sofort lieferbares Medikament tatsächlich die Ausnahme. Entweder ich benenne dann am Telefon eine Verlegenheitslösung, zumindest aus derselben Stoffklasse, oder der Patient bekommt nach einigen Tagen Wartezeit (auch bei Bluthochdruck oder Diabetes!) irgendein Billigzeug von einer Pharmafirma, von der ich noch nie gehört habe.

Nun bin ich beileibe kein Stänkerer. Vielmehr fühle ich mich als Angehöriger des Sternbildes Waage dem Ausgleich verpflichtet. Also rief ich vorurteilsfrei bei einem großen forschenden Pharmaunternehmen an, welches mir mehrmals monatlich Pharmavertreterinnen in die Praxis schickt. Ich wollte einfach nur wissen, warum das von denen beworbene Medikament nun auch nicht lieferbar ist. Die Dame am Telefon druckste auf bayrisch herum, sie könne mir dazu „nix sogn“. Ich baute ihr eine Brücke, ob vielleicht eine Produktionsmaschine kaputt sei. Aber auch dazu konnte sie mir „nix sogn“.

Dann kam eine Vertreterin eines großen Generikaunternehmens zu mir. Ja, ich empfange diese Menschen immer noch, ganz ohne dass sie mir mein Essen bezahlen – sie wollen ja auch leben.

Diese Frau erklärte mir, dass die Produktion nahezu aller Wirkstoffe nach Südostasien ausgelagert worden sei. Das wurde doch kostenmäßig so gewollt. Und dann gibt es natürlich Engpässe, zum Beispiel wenn die Lieferwege blockiert sind durch Stürme, amerikanische Präsidenten oder andere Katastrophen. Zu Tabletten gepresst würden diese Stoffe aber immer noch in Deutschland.

Es tut mir leid, aber ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Fast alle medikamentösen Wirkstoffe werden ausschließlich in Billiglohnländern hergestellt? Und es wird politisch geduldet, dass die Gesundheit von Millionen Deutschen von Ländern wie China oder Indien abhängt? Auffällig ist auch, dass solche umfassenden Engpässe bei anderen Dingen des täglichen Bedarfs wie Lebensmitteln oder Waschmitteln nicht bestehen.

Warum verpflichtet unser taffer Gesundheitsminister nicht die Pharmafirmen, z.B. mit einem seiner geliebten Sicherstellungsgesetze, Medikamente komplett hier zu produzieren? Seinem Schwur und der allgemeinen Gesundheit verpflichtet? Eine Herstellung „made in Germany“ unter genormten Bedingungen, ohne lange Transportwege und somit viel umweltfreundlicher. Eine Herstellung, die Arbeitsplätze schafft oder erhält ...

Neulich montags machte ich mir einen Spaß. Einem meiner Faulkrank-Patienten erklärte ich, dass er heute keinen AU-Schein bekomme. Es gebe Engpässe bei den Formularen. Mit einer Sportbefreiung könne ich aber dienen. Wütend rannte er hinaus und rief, er werde sich beschweren, beim Gesundheitsminister persönlich! Soll er doch! Der hat wahrscheinlich „a nix zu sogn“.

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