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Jeder zweite Kliniker denkt an Kündigung

Autor: Michael Reischmann; Foto: thinkstock

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Überstunden, Zusatz-Dienste, Bürokratie und zu wenig Zeit für die Patienten setzen Klinikärzte stark unter Druck. Das zeigt der MB-Monitor 2015, der die Arbeitsbelastung von Krankenhausärzten untersuchte.

Im Auftrag des Marburger Bundes (MB) hatte das Institut für Qualitätsmessung und Evaluation, Landau, im Oktober 3895 angestellte Ärztinnen und Ärzte aus allen Krankenhausträgergruppen online befragt. Dabei stellte sich heraus, dass sich seit den Befragungen 2010 und 2013 an der Arbeitszeit kaum etwas geändert hat. Mehr als zwei Drittel der Kliniker liegen mit ihren Wochenstunden deutlich über dem 48-Stunden-Limit, das das Arbeitszeitgesetz vorgibt.

Fast die Hälfte der Klinikärzte (46 %) arbeitet 49 bis 59 Stunden und jeder fünfte Befragte (21 %) nannte eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 60 bis 79 Stunden. 3 % der Ärzte arbeiten sogar durchschnittlich mehr als 80 Stunden pro Woche. Dabei wünschen sich 90 % der Klinikärzte eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von unter 48 Stunden, inklusive aller Dienste und Überstunden.

7 von 10 Ärzten arbeiten zu viel

Junge Ärzte sind vor allem durch drei und mehr Bereitschaftsdienste monatlich belastet, unter sechs bis 15 Rufbereitschaften ächzen Oberärzte und Chefarztstellvertreter. MB-Vorsitzender Rudolf Henke kritisiert eine „große Diskrepanz zwischen beruflicher Anforderung und personeller Ausstattung in den Kliniken“. Verantwortlich macht er dafür die Bundesländer, die seit Jahren ihren Investitionsverpflichtungen nicht in vollem Umfang nachkommen.

 „Dies führt dazu, dass vielfach Betriebsmittel, die eigentlich für die Patientenversorgung und das Krankenhauspersonal vorgesehen sind, für dringende bauliche Maßnahmen verwendet werden“, so Henke. Er bedauert, dass es im Rahmen des Krankenhausreformgesetzes nicht gelungen ist, die Länder zu einer stärkeren Investitionstätigkeit zu verpflichten. Der MB gebe sich damit jedoch nicht zufrieden: „Das Thema bleibt auf der Agenda.“

Marburger Bund wirft Bundesländern Vernachlässigung vor

Zufrieden zeigt sich der MB-Chef jedoch, dass mittlerweile bei 44 % der Ärzte die Arbeitszeit elektronisch erfasst wird (2007: 26 %). Allerdings kommt noch immer jeder vierte Klinikarbeitgeber seiner gesetzlichen und tarifvertraglichen Verpflichtung zur objektiven Arbeitszeitdokumentation nicht nach. 28 % der Befragten gaben darüber hinaus an, Überstunden weder überwiegend vergütet, noch mit Freizeit ausgeglichen zu bekommen.

Nach MB-Hochrechnungen bedeutet dies: Von den rund 170 000 Krankenhaus­ärzten hierzulande erhalten etwa 47 000 regelmäßig keine Entlohnung oder keinen Freizeitausgleich für die im Durchschnitt wöchentlich erbrachten 7,3 Überstunden. Drei von vier Ärzten sehen durch die Gestaltung der Arbeitszeiten im Krankenhaus die eigene Gesundheit beeinträchtigt, z.B. in Form von Schlafstörungen und häufiger Müdigkeit. Mehr als jeder Zweite fühlt sich durch hohen Zeitdruck und Arbeitsüberlastung „häufig psychisch belastet“.

Ärzte sehen eigene Gesundheit in Gefahr

77 % geben an, dass der hohe Arbeitsdruck das Familienleben beeinträchtigt. 46 % der Klinik­ärzte erwägen inzwischen, wegen hohem Arbeitsdruck und fehlender Wertschätzung ihre jetzige Tätigkeit aufzugeben. Besonders belastend ist für die Kliniker, dass zu wenig Zeit für die individuelle Patientenbehandlung bleibt. 69 % der Befragten gaben an, dass die Zeit u.a. wegen zu viel Bürokratie nicht ausreiche. Ein Drittel der Befragten benötigt mehr als zwei Stunden täglich für Verwaltungsaufgaben, 41 % benötigen ein bis zwei Stunden.

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