Anzeige

Kammer: Asylbewerber nicht per Handschlag zum Arzt ernennen

Autor: Michael Reischmann, Foto: Fotolia/Matthias Stolt

Anzeige

Asylbewerber, die ohne Nachweis glaubhaft versichern, Arzt zu sein, sollen in Aufnahmeeinrichtungen ärztlich tätig sein dürfen – von dieser Idee der Bundesregierung hält die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz nichts.

Im Rahmen des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes – so sieht es ein Entwurf mit Stand 21.9.2015 vor – soll ein § 10c „Vorübergehende Ermächtigung zur Ausübung der Heilkunde“ in die Bundesärzteordnung eingeführt werden.

Demnach dürften Asylbegehrende, die über eine abgeschlossene Ausbildung als Arzt verfügen, diese aber nicht ausreichend belegen können, vorübergehend in den Aufnahmeeinrichtungen und zentralen Unterkünften für Asylbegehrende ärztlich tätig werden.

Für die Ermächtigung soll es ausreichen, dass der Antragsteller seine Qualifikation als Arzt mit einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft macht. In einem Fachgespräch soll er gegenüber der zuständigen Landesbehörde seinen Ausbildungsweg und seine ärztliche Kompetenz nachweisen.

Der ermächtigten Person soll ein Arzt als verantwortlicher Ansprechpartner zur Verfügung stehen, allerdings darf sie grundsätzlich eigenstätig tätig werden. Eine ständige Aufsicht sei nicht erforderlich, heißt es in der Begründung.

Landesärztekammer wendet sich gegen Gesetzesvorhaben

Die Landesärztekammer in Mainz, die dieses Gesetzesvorhaben früh publik machte, hat nach eigenen Angaben bei der Landesregierung „aufs Heftigste interveniert“.

„Es ist nicht nachvollziehbar, warum auf alle qualitätssichernden Maßnahmen bei der Ausübung des Arztberufes, die für die Patientenversorgung notwendig sind, verzichtet werden soll“, kritisiert Kammer-Präsident Professor Dr. Frieder Hessenauer. Ärztinnen und Ärzte in Deutschland müssten nach Studium und Weiterbildung ihre ärztliche Kompetenz regelmäßig durch Fortbildungszertifikate nachweisen. Asylbegehrenden, die meist ohne Papiere ankommen, solle nun jedoch im Schnellverfahren die ärztliche Berufsausübung erlaubt werden. „Das kann nicht rechtskonform sein“, so Prof. Hessenauer.

Man unterstütze alle Bemühungen, um die ärztliche Versorgung von Asylbegehrenden zu sichern, doch „den Plan, Asylbewerber quasi per Handschlag zum Arzt zu ernennen“, lehnt die Kammer rigoros ab.

Ministerium: Patientenschutz muss oberstes Gebot bleiben

Auch das SPD-geführte Gesundheitsministerium zeigt Verständnis für die Kritik: Der Patientenschutz müsse absolut gesichert sein, das heiße, medizinisches Personal müsse entsprechend ausgebildet sein bzw. eine gleichwertige Ausbildung absolviert haben. „Wir sehen es grundsätzlich als problematisch an – wie im Referentenentwurf der Bundesregierung vorgesehen – zwischen einer ärztlichen Tätigkeit bei Flüchtlingen in den Einrichtungen und einer Tätigkeit bei anderen Patientinnen und Patienten zu differenzieren“, antwortete das Ministerium auf Anfrage von Medical Tribune.

Vorschlag der KV Baden-Württemberg

Einen handfesten Vorschlag zur ärztlichen Versorgung der Flüchtlinge macht der stellvertretende Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, Dr. Johannes Fechner:

In jeder Gemeinschaftsunterkunft ab circa 50 Personen wird eine Sanitätsstelle eingerichtet (Mindestvoraussetzung: abschließbarer Raum mit Untersuchungsliege, Telefonanschluss, PC). Diese wird bedarfsweise sowohl von Vertragsärzten als auch Nichtvertragsärzten stundenweise besetzt. „In jeder Stadt haben sich bisher genügend freiwillige Ärzte verschiedener Fachrichtungen für diesen Dienst bereit erklärt, zudem könnten Pensionäre und Klinikärzte zum Einsatz kommen“, so der KV-Vize.

Das Transportproblem von den Sammelunterkünften zu den Arztpraxen entfiele, ebenso das Dolmetscherproblem, da in jeder Sammelunterkunft immer genügend Menschen mit englischen, oft auch deutschen Sprachkenntnissen verfügbar seien.

Die Verordnung von Arzneimitteln könnte per Privatrezept auf den Namen eines Asylbewerbers erfolgen. "Die umliegenden Apotheken erhalten die Rezepte im wöchentlichen Turnus, beliefern die Sammelunterkünfte täglich, das zuständige Sozialamt müsste vorab den Apotheken die Bezahlung der abgegebenen Arzneimittel gutsagen."

Da die eventuelle Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte für Asylbewerber noch Monate dauern wird, schlägt Dr. Fechner für den Übergang vor, eine Stundenvergütung für die Ärzte zu vereinbaren. Das würde den bürokratischen Aufwand deutlich reduzieren.

Soweit sich unter den Asylbewerbern ärztliche Kolleginnen und Kollegen sowie Angehörige weiterer Gesundheitsberufe befinden, sollten diese rasch identifiziert und gebeten werden, die deutschen Ärzten als besonders qualifizierte Dolmetscher bei der Versorgung zu unterstützen, rät der KV-Vize.

Die Approbationsbehörde Baden-Württemberg habe in Einzelfällen die Tätigkeitserlaubnis nach § 10a Bundesärzteordnung auch ohne Nachweis deutscher Sprachkenntnisse genehmigt (sofern die übrigen Erfordernisse vorliegen). Die Kolleginnen und Kollegen könnten dann rascher zu Praktika und Hospitationen eingeladen werden. Dies wäre die bestmögliche Voraussetzung, die Sprachbarriere zu überwinden, das deutsche Gesundheitswesen kennenzulernen und schließlich die Approbation als Arzt auch in der Bundesrepublik zu erlangen.

Anzeige