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Kommunikationsprofi rät Ärzten: Weniger jammern!

Gesundheitspolitik Autor: Ruth Bahners

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"Die Zwei-Klassen-Medizin ist Ihre Achillesferse." Diese deutliche Warnung richtete der prominente Kommunikationsberater Michael Spreng an die Kammerversammlung in Nord­rhein.

Die Ärztekammer hatte Spreng eingeladen, um über das schwierige Verhältnis von Ärzten, Medien und Öffentlichkeit zu sprechen. Gleich zu Beginn seines Vortrags kündigte Spreng an, er wolle den Ärzten "nicht nach dem Munde reden". Und das tat er wahrlich nicht.

Zunächst beruhigte er seine Zuhörerschaft. "88 % der Deutschen vertrauen Ihnen", so Spreng. Das unausgesprochene "Noch" war deutlich zu hören. Denn Voraussetzung für Vertrauen sei Glaubwürdigkeit. Wer fahrlässig damit umgehe, bekomme sie entzogen. Und genau das drohe der Ärzteschaft.

Denn es gebe viele Ärzte, die ungern über Geld sprächen – einige von ihnen, weil sie für etwas Geld nähmen, was therapeutisch gar nicht notwendig sei.

"Und weil in letzter Zeit die ‚Einigen‘ das Bild der Ärzteschaft in der Öffentlichkeit stärker prägen als die ‚Vielen‘, weil Organtransplantationsmanipulierer und übereifrige Hüft­operierer im Fokus der Berichte stehen und nicht die aufopferungsvolle Arbeit der Ärzte", führte Spreng aus.

Keine falsche Solidarität und Wagenburgpolitik

Die Wagenburg, nach der auch jüngst der neue KBV-Vorsitzende Dr. Andreas Gassen gerufen hatte, ist nach Auffassung des Kommunikationsberaters genau die falsche Reaktion auf Anfeindungen.

Daher sein erster Ratschlag: "Entsolidarisierung". Die Wagenburg führe dazu, dass die Guten sich mit den Schlechten solidarisierten. Dann würden aber auch die Guten mit den Schlechten in einen Topf geworfen.

Deshalb: "Keine falsche Solidarität mehr." Stattdessen: "Die schwarzen Schafe benennen, die sinnlosen Operationen, die Geldschneider, die IGeL-Suboptimierer."

Sein zweiter Ratschlag: Fehler und Auswüchse des Berufsstands beim Namen nennen, Transparenz über die wahre Lage, auch die materielle, schaffen. Transparenz sei die wichtigste Grundlage, um Vertrauen zu gewinnen.

Sein dritter Ratschlag: Mehr Selbstbewusstsein zeigen. Spreng erinnerte die anwesenden Ärzte, dass sie "an der Spitze des Fortschritts" stünden. Die Medizin habe Quantensprünge bei der Bekämpfung und Heilung von Krankheiten gemacht

Sein vierter Ratschlag: Mehr über das Positive reden. Zwar seien in der heutigen Medienlandschaft bad news good news. Doch Negativ-Themen sollte man nie selbst setzen, sie fielen auf den Absender zurück. Die AOK habe sich mit ihrer Meldung von den 18 900 Toten wegen Behandlungsfehlern im Krankenhaus selbst keinen Gefallen getan.

Sein fünfter Ratschlag war folglich: Weniger über Geld reden. Allein auf der aktuellen Kammerversammlung würden sich von 17 vorliegenden Anträgen sechs mit Geld befassen. Doch "Ärzte und Geld – das ist den meisten Menschen fremd, das beschädigt ihr idealisiertes Bild vom selbstlosen Helfer", warnte Spreng.

Vernünftige Vorschläge zur  Verkürzung von Wartezeiten

Er wisse, dass es vielen Ärzten in den letzten Jahren schlechter gehe. Klinikärzte litten unter Zeit- und Kostendruck. Viele Allgemeinmediziner könnten ihre Praxis kaum noch finanzieren.

Sein Rat: "Sie erhalten mehr Verständnis, wenn Sie mit dem Positiven werben, statt zu jammern; wenn Sie Leistungen ins Licht stellen, nicht Ihre bedrängte Lage; wenn Sie sich an dem gelungenen Gewerkschaftsslogan orientieren: Gutes Geld für gute Leistung."

Am erfolgreichsten werde die Ärzteschaft aber sein, wenn sie keine Ärzte-Lobby, sondern eine Patienten-Lobby sei. "Alles was Sie fordern, muss zum Wohl Ihrer Patienten sein." Dem Selbstlosen werde eher gegeben als dem egoistischen Interessenvertreter.

Die von der Großen Koalition beabsichtigte Wartezeitverkürzung auf maximal vier Wochen für einen Facharzttermin führte Spreng als gelungenes Beispiel an. Denn der Patient werde wieder in den Mittelpunkt gestellt, unabhängig von seiner Versicherungsart. "Auch wenn es Ihnen nicht gefällt", setzte Spreng nach.

"Warum ist der vernünftige Vorschlag Ihres Präsidenten Montgomery, stattdessen eine dringliche Überweisung einzuführen, erst unter politischem Druck entstanden?", fragte Spreng.

"Die Wartezeiten, die Zwei-Klassen-Medizin prägen immer häufiger das Bild von Ihnen", warnte Spreng auch in der anschließenden Diskussion. "Das ist Ihre Achillesferse!"

Eine weitere bittere Pille für die Zuhörer: Die Ärzteschaft sei weder als Wählergruppe noch als Zielgruppe für die Parteien und die Medien interessant. Dafür sei die Ärzteschaft zahlenmäßig einfach zu gering.

Die Ärzte müssten die Öffentlichkeit überzeugen, dass das Bild vom goldenen Beruf nicht mehr stimme, bevor sie die Politik überzeugen können. Deshalb sollten die Ärzte um die Medien "werben". Denn Politiker verfolgten z.B. sehr genau, was in der Heimatzeitung des Wahlkreises stehe. Dort könne mehr Druck aufgebaut werden als über Berliner Lobbyarbeit.

"Nur derjenige,der die Öffentlichkeit überzeugt, überzeugt auch die Politik", erläuterte Spreng.

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