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Korruptionsdebatte: Image der Ärzte leidet

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

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Ärzte sind potenziell korrupt – dieser Eindruck könnte angesichts der aktuellen Diskussio­nen und Medienberichte entstehen. Doch das Bild ist verzerrt.

Nach einem Bericht des GKV-Spitzenverbandes gab es 2010 und 2011 insgesamt 53 000 Verdachtsfälle gegen alle Leistungsträger im Gesundheitswesen. 2600 Fälle davon wurden an die Staatsanwaltschaften weitergereicht, wobei nicht alle Beschuldigten letztlich vor Gericht verurteilt wurden.

Hinweisgeber: Exfrau, Exmitarbeiter, Expartner

Der GKV-Spitzenverband fordert dennoch vom Gesetzgeber, im Sozialgesetzbuch eine neue Strafvorschrift zu etablieren sowie „effektivere Ermittlungs- und Prüfzuständigkeiten der Kranken- und Pflegekassen zu schaffen“.  Auch Bundesärztekammerpräsident Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery sieht ohne gesetzliche Regelung keine Lösung des Problems. Er hält mehr Rechte für die Ärztekammern für notwendig.


Das Berufsrecht regele zwar, dass ein Arzt medizinische Entscheidungen nicht in Abhängigkeit von Geldern der Pharmaindustrie oder anderer treffen dürfe. „Das Dilemma aber ist: Wir haben keine Kompetenzen zu ermitteln, es gibt keine Kammerpolizei“, sagte er bei einer Podiumsdiskussion anlässlich der 19. Netzkonferenz von UCB-Pharma in Berlin. Kammern erhielten Informationen derzeit nur aus drei Richtungen: von der geschiedenen Ehefrau, dem entlassenen Praxismitarbeiter und der geplatzten Praxisgemeinschaft.

Bestechung: Einheitliche Regelung für alles Dienstleister im Gesundheitswesen

Der Ärztepräsident fordert, dass Staatsanwaltschaften und Ärztekammern in einer Task Force zusammenarbeiten – so wie beim sog. Transplantationsskandal. Schließlich hätten Ärzte jene fachliche Kompetenz, die Staatsanwaltschaften oft fehle. Die Zusammenarbeit sollte statt im SGB V im Wettbewerbsrecht verankert werden – und zwar für alle Dienstleister im Gesundheitswesen.


Es bedürfe „keiner Lex specialis im Strafgesetzbuch nur gegen Ärzte“. Jeder Fall von Bestechung sei einer zu viel, man müsse „den Sumpf trockenlegen“, sagte Prof. Montgomery. Angesichts von mehr als einer Milliarde Arzt-Patienten-Kontakten, 18 Millionen Krankenhausaufnahmen und 17 Millionen Operationen jährlich sollte man allerdings „die Kirche im Dorf lassen“. Dass bei einer Umfrage von MLP zum Image der Ärzte nur noch 40 % gesagt hätten, dass Ärzte eine „saubere, vernünftige Berufsgruppe“ sind, hält der Kammerpräsident für eine Folge der „bösen Saat der Imagekampagne der Krankenkassen“.

Imagekampagne der Krankenkassen verzerrt das Ansehen der Ärzte

Prof. Montgomery: „60 % halten uns für korrupt, für mafiös, ich weiß nicht was.“ Der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Rolf Koschorrek kritisierte ebenfalls „eine überzogene Kampagne“ der Krankenkassen. Der Grünen-Politiker und Arzt Dr. Harald Terpe forderte: Ärzte, die wegen ihres hohen Ethos eine besondere Verantwortung trügen, sollten sich an die Spitze der Bewegung gegen Korruption setzen.


Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) betrachtet die Freiberuflichkeit und die Therapiefreiheit der Ärzte als hohes Gut. Dennoch will er aktiv werden. „Korruption und Bestechlichkeit bei Ärzten dürfen wir auf keinen Fall durchgehen lassen. Das muss verboten sein und geahndet werden“, erklärte er im „Deutschen Ärzteblatt“.

Staatsanwälte stellen ihre Ermittlungen trotz Korruptionverdacht ein

Der Minister müsse endlich gesetzliche Regelungen vorlegen; längere Zeiten des Prüfens seien nicht mehr angemessen, meint die Grünen-Fraktion im Bundestag. Auch die SPD macht Druck. Dr. Carola Reimann (SPD), Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, verwies in der UCB-Podiumsdiskussion darauf, dass Staatsanwaltschaften inzwischen Ermittlungsverfahren einstellen, weil der Straftatbestand der Bestechung seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 2012 nicht gegeben sei.


Den Ärztekammern mehr Ermittlungsbefugnisse zuteil werden zu lassen, lehnt die Politikerin ab. Sie plädiert für einen entsprechenden Straftatbestand, qualifizierte Schwerpunktstaatsanwaltschaften und schnelle Konsequenzen gegen Korruption. „Es ist eine kleine Minderheit, die das Image der Mehrheit terrorisiert. Da sollte man schnell handeln“, so Dr. Reimann.

Quelle: Medical-Tribune-Recherche, 19. Netzkonferenz UCB-Pharma

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