Anzeige

Kriegsvergewaltigung – ein lebenslanges Trauma

Autor: Ruth Bahners, Foto: Fotolia_elena

Anzeige

Traumata auf Grund von sexualisierter Kriegsgewalt beeinträchtigen das Leben der Opfer auch noch Jahrzehnte nach den Taten. Deshalb benötigen die Betroffenen eine lang anhaltende Unterstützung, Beratung und Therapie. Der Hausarzt ist oft der erste und einzige Ansprechpartner.

Auch in Deutschland leben viele Opfer, die im Krieg vergewaltigt wurden. Es sind Flüchtlinge aus den alten und neuen Krisengebieten. Aber auch deutsche Frauen, die im zweiten Weltkrieg missbraucht wurden.

Eine Studie der Frauenrechtsorganisation medica mondiale belegt den Therapiebedarf auch noch Jahrzehnte nach dem traumatisierenden Ereignis. Gemeinsam mit ihrer bosnischen Partnerorganisation Medica Zenica hat sie ehemalige Klientinnen in Bosnien und Herzegowina befragt, wie es ihnen 20 Jahre nach den Kriegsvergewaltigungen geht.

Psychische Belastungen, gynäkologische Beschwerden und eine insgesamt alarmierende Gesundheitssituation prägen den Alltag der Betroffenen. „Es belastet die Frauen bis heute und dennoch meistern sie ihr Leben“, erklärt Dr. Monika Hauser, Gynäkologin und Gründerin von medica mondiale.

Nervosität und Probleme mit engen Beziehungen

Über 93 % der befragten Frauen haben nach wie vor gynäkologische Probleme, 76 % schildern Schlafstörungen und 57 % leiden unter posttraumatischen Belastungsstörungen.

Mehr als 70 % gaben an, die Vergewaltigungen beherrschten noch immer ihr Leben, vor allem in Form von wiederkehrenden, belastenden Erinnerungen, Nervosität und Problemen in engen Beziehungen. Mehr als ein Viertel der Frauen berichtet, die Weitergabe der unbewältigten Traumata habe das Leben ihrer Kinder vollständig beeinflusst.

Die am häufigsten genannte Bewältigungsstrategie ist Ablenkung. Weitere 60 % der Befragten gaben an, regelmäßig Psychopharmaka zu nutzen, um ihre Nervosität zu lindern. Wichtigste Faktoren zur Stabilisierung seien der Austausch mit Gleichgesinnten und deren emotionale Unterstützung sowie Hobbys und Spiritualität.

Das Bewusstsein müsse geschärft werden für die Situation Überlebender sexualisierter Kriegsgewalt. „Auch in Deutschland haben wir auf diesem Feld große Defizite, obwohl hier viele Frauen mit einschlägigen Erfahrungen leben“, klagt Dr. Hauser, die 2008 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde.

Therapiebedürftig seien nicht nur Frauen, die aus Krisengebieten wie Irak, Syrien und Afghanistan hierher geflüchtet sind sondern auch die deutschen Frauen, die während des zweiten Weltkriegs Opfer sexueller Gewalt wurden. Viele hätten auch 70 Jahre danach keine ausreichende Fürsorge und Behandlung erfahren. „In den Altersheimen droht diesen Frauen nun eine Re-Traumatisierung, weil die speziellen Kenntnisse im Umgang mit Gewaltopfer fehlen“, befürchtet die Gynäkologin.

Der Hausarzt ist oft der einzige Ansprechpartner

„In Deutschland ist der Hausarzt meist der erste und einzige Ansprechpartner der Opfer sexueller Gewalt in aktuellen wie vergangenen Kriegen“, meint Dr. Hauser. Deshalb bittet sie ihre Kollegen, gut zuzuhören, sensibel und mit „hoher Empathie“ den Frauen zu begegnen. So könnten sich oft erst Therapiemöglichkeiten erschließen.

Eine Hospitalisierung hält Dr. Hauser für den „falschen Ansatz“. Sie plädiert dafür, traumasensible Therapieansätze in die Medizinerausbildung aufzunehmen. Ihre Organisation bietet solche Fortbildungen und geeignete Manuale an.

„In den Flüchtlingslagern, auch hier bei uns, geht die Gewalt weiter“, behauptet Dr. Hauser. Hier seien die geschundenen Frauen erneut sexueller Gewalt ausgesetzt. Deshalb fordert sie spezielle Konzepte für die Betreuung der Flüchtlinge. Zudem gelte es die „transgenerationale  Traumatisierung“ von der Mutter auf die Kinder zu therapieren. Nur so könne diese Spirale durchbrochen werden. 

Anzeige