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KV-Funktionäre kassieren munter weiter

Gesundheitspolitik Autor: Hermann Müller

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Ärztliche KV-Vorstände kassieren fürstlich. Jah­resgehalt, privat nutzbarer Dienstwagen, Sonderregelungen, Praxisüberschüsse, Pensionszusagen – Jahresbezüge von 300 000 bis über 400 000 Euro sind möglich. Bei den jährlichen Gehälter-Veröffentlichungen steckt der Sprengstoff in den Fußnoten.

Seit drei Monaten steht der Berliner KV‑Vorstand unter Beschuss. Er hat, trotz Wiederwahl, 549 000 Euro an Übergangsgeldern kassiert. Die Aufsicht fordert die Rückzahlung, die Staatsanwaltschaft ermittelt, hat Büros und Privaträume der Vorstandsmitglieder durchsucht. Das Berliner Drama ist aber nur eine Facette.

Über 300 000 Euro Pensionsanspruch

Seit einem Jahr steht auch KBV-Chef Dr. Andreas Köhler in der Kritik. Nach seiner Wiederwahl am 11. März 2011 hatte er eine Erhöhung seines Jahreseinkommens um 90 000 auf 350 000 Euro ausgehandelt. Das Plus von 35 % ist schwer vermittelbar, finden nicht nur niedergelassene Ärzte. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) als obers­ter Aufpasser fordert Änderungen. Er sieht vor allem ein Problem: Dr. Köhler besitzt einen Pensionsanspruch von 91 % seines Jahresgehalts – nach jetzigem Stand knapp 320 000 Euro.

Nicht im Fokus stand Dr. Carl-Heinz Müller. Sein Gehalt stieg um 40 000 auf 300 000 Euro. Seinen Job als KBV-Vize hat Dr. Müller Ende Februar beendet, er praktiziert wieder als Hausarzt in Trier. Viele Delegierte trauten am 2. März auf einer Vertreterversammlung (VV) der KBV in Berlin ihren Ohren nicht, als Dr. Köhler verkündete: Dr. Müller, 56, verheiratet und Vater zweier Kinder (zwei und vier Jahre), habe einen Pensionsanspruch von jährlich rund 68 000 Euro. Die KBV müsse eine Rückstellung von 1,2 Millionen Euro bilden. Dr. Müller war knapp fünf Jahre im KBV-Vorstand.

Seit Ulla Schmidts Amtszeit als SPD-Gesundheitsministerin sind Kassen-, KV- und KZV-Funktionäre zur jährlichen Offenlegung ihrer Bezüge verpflichtet. Der Transparenz-Effekt ist allerdings gering: Viele Funktionäre lassen sich ihre Diens­te für die Selbstverwaltung prächtig bezahlen – trotz Kontrolle durch Ärzteparlamente und Aufsichten.

So erhöhte Hans-Jochen Weidhaas, als Vorsitzender der KBV-VV Dienstherr des Vorstands, die Bezüge der Dres. Köhler und Müller an der VV vorbei und stellte die Delegierten vor vollendete Tatsachen. Paradox: Die KBV-Vorstände müssen ihre Gehälter veröffent­lichen, die VV-Mitglieder können aber nur in der KBV-Zentrale am Rande des Berliner Tiergartens Einsicht in die Verträge nehmen.

Fürs Alter wird vielerorts großzügig vorgesorgt

Nicht nur an Havel und Spree verdienen Ärztefunktionäre fürstlich. An der Isar sind die drei Vorstände der KV Bayerns Spitzenverdiener. Zu Jahresgehältern von 227 000 bis knapp 249 000 Euro kommen Auslagen für Fahrtkosten (7440 bis 27 000 Euro) sowie jeweils 13 134 Euro als Arbeitgeber- und Arbeitnehmerzuschuss für die Ärzteversorgung. Ihre Dienstverträge enthalten zudem großzügige Pensionszusagen.

Vorstandschef Dr. Wolfgang Krombholz (Jahrgang 1950) und Stellvertreter Dr. Pedro Schmelz (Jg. 1951) kommen 2016 – am Ende der Dienstzeit – ins Renten­alter. Nach sechsjähriger Amtszeit, so hat es die KBV nach Angaben aus Bayern 2011 und 2012 detailliert veröffentlicht, besteht ein Pensionsanspruch von 21,6 % des letzten Jahresgehalts. Das sind nach dem aktuellen Jahresgehalt von 248 882,64 Euro jährlich 53 745,57 Euro – fällig im „Versorgungsfall“ bei Erreichen der Altersgrenze oder Dienstunfähigkeit. Lebenslang, jährlich dynamisiert nach Steigerungsraten der Tarifverträge im öffentlichen Dienst bzw. nach dem Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzten an kommunalen Krankenhäusern. Auch an Hinterbliebene ist gedacht – es gilt das Bayerische Beamtenversorgungsrecht.

Auf Anfrage reagiert Dr. Krombholz merkwürdig. Die publizierte Pensionsregelung sei ihm nicht bekannt. Erst jetzt nach einer Presseanfrage habe er sich seinen Vertrag erklären lassen. Die Darstellung sei nicht korrekt, Pensionsansprüche aus dem Dienstvertrag „werden mit Ansprüchen aus der Ärzteversorgung verrechnet“, so Dr. Krombholz. Nach sechs Dienstjahren entstehe ein zusätzlicher Pensionsanspruch von monatlich 2000 bis 2500 Euro. Selbst das wäre eine gute Regelung. Hierzulande beträgt die Durchschnittsrente nach 45 Versicherungsjahren monatlich knapp 1200 Euro.

„Während viele KVen in der Vergangenheit die beamtenähnliche Altersversorgung für ihre Mitarbeiter als nicht finanzierbar abgebaut haben, lassen sich manche Vorstände beamtenähnliche Regelungen in ihren Dienstverträgen festschreiben“, schüttelt ein KBV-Insider den Kopf.

Bayern ist keine Ausnahme. So erwirbt Dr. Klaus Heckemann, Chef der KV Sachsen, pro Dienstjahr einen Pensionsanspruch von 2,75 % seines letzten Jahresgehalts, maximal 16,5 %. Nach dem aktuellen Jahresgehalt (240 000 Euro) stehen ihm ab dem 65. Lebensjahr jährlich 39 600 Euro zu. Das räumt Dr. Heckemann freimütig ein: „Die Pensionsregelung ist Teil eines Gesamtpakets.“

Immerhin machen die KVen von Bayern und Sachsen sehr detaillierte Angaben. Ganz anders die Hessen. Unter der Rubrik „Vertragliche Sonderregelungen der Versorgung“ steht lapidar ein „Ja“, die drei Vorstände der KV Mecklenburg-Vorpommern geben nur „beamtenähnliche Maßstäbe“ an. Erläuterungen in den Fußnoten – Fehlanzeige!

Mit Jahreseinkünften von 170 000 Euro verdienen die Vorstände in Baden-Württemberg eher wenig. Doch Dr. Norbert Metke und Dr. Johannes Fechner kassieren zusätzlich eine „Praxisreorganisationspauschale“ nach dem Tarifvertrag öffentlicher Dienst der Länder. Konkrete Angaben zum Zweck und zur Höhe – Insider sprechen von rund 70 000 Euro – lehnt Dr. Metke ab. Die Dres. Metke und Fechner praktizieren nach Auskunft ihrer früheren Helferinnen nicht mehr, sind im Arztverzeichnis der KV Baden-Württemberg nicht mehr aufgeführt.

„Die Selbstverwaltung blamiert sich“

Dr. Leonard Hansen, einst KBV-Vize und Chef der KV Nord­rhein, findet die Gehälter-Veröffentlichungen „intransparent“ und das Verstecken von Ansprüchen im Kleingedruckten unmöglich: „Damit blamiert und schädigt sich die ärztliche Selbstverwaltung.“

Gelder für Sitzungen in Ausschüssen, Gremien oder Kommissionen, die KV-Funktionäre zusätzlich kassieren, werden nicht veröffentlicht. So zahlt die KBV eine Kilometerpauschale von 60 Cent. Hinzu kommen Einnahmen aus lokalen Entschädigungs- und Fahrtkostenregelungen.

Fazit: Einkünfte der Ärztefunktio­näre von jährlich 300 000 bis über 400 000 Euro vor Steuern dürften eher die Regel als die Ausnahme sein.


Auch der Bad Dürkheimer Psychologe Weidhaas wird gut bedient. Als VV-Vorsitzender erhält er jährlich 150 000 Euro, seine Stellvertreter Dr. Stefan Windau und Dr. Andreas Gassen jeweils 100 000 Euro. Im KBV-System muss niemand darben.

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