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KVen halten einheitliche Zertifikate zur Barrierefreiheit für großen Bürokratieaufwand

Gesundheitspolitik Autor: Isabel Aulehla

Ein bundeseinheitliches System von Zertifikaten käme Patienten mit Behinderung entgegen, bedeutete aber viel Bürokratie. Ein bundeseinheitliches System von Zertifikaten käme Patienten mit Behinderung entgegen, bedeutete aber viel Bürokratie. © iStock/Talaj
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Über die Zugänglichkeit von Praxen werde nur schlecht informiert, meinen die Beauftragten für Menschen mit Behinderung. Die Selbstverwaltung reagiert irritiert.

Die KVen erreichte kürzlich herbe Kritik: Sie würden Versicherte trotz einer eindeutigen gesetzlichen Pflicht nicht angemessen über die Barrierefreiheit von Praxen informieren. Für Menschen mit Behinderungen sei das Recht auf freie Arztwahl daher nur eingeschränkt umsetzbar.

Das Resümee stammt von den Beauftragten der Länder und des Bundes für Menschen mit Behinderung. Sie prüften, wie weit die KVen die Bestimmung des TSVG umgesetzt haben, nach der sie Versicherte im Internet bundeseinheitlich über Sprechstundenzeiten und die Barrierefreiheit von Praxen informieren müssen.

Sechs Forderungen sollen die Situation verbessern

Um Patienten mit Behinderung die Teilhabe an der Versorgung zu erleichtern, bedarf es laut der Beauftragten zentraler Veränderungen: Sie fordern ein bundeseinheitliches Zertifizierungssystem für Praxen, das alle Arten von Behinderung berücksichtigt. Über dessen Umsetzung sollen die Gesundheitsministerien von Bund und Ländern wachen, falls nötig mittels neuer Gesetze.

Eine bessere Honorierung barrierefreier Angebote könnte weitere Anreize schaffen, begleitet von Kürzungen für nicht-inklusive Angebote. Darüber hinaus wünschen die Beauftragten, dass der Gesetzgeber Mediziner zur Barrierefreiheit verpflichtet und den Umbau von Praxen mit Fördermitteln unterstützt.

Viele KVen stieß die Kritik der Beauftragten vor den Kopf. „Die Vorwürfe haben uns überrascht und irritiert“, heißt es von der KV Nord­rhein, „sie sind auch in dieser Form unangebracht“. Bereits seit 15 Jahren beschäftige man sich gemeinsam mit der KV Westfalen-Lippe und der Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung mit der Barrierefreiheit – aus eigener Initiative und schon lange vor dem TSVG.

Ein Online-Arztfinder biete differenzierte Informationen zur Zugänglichkeit der Praxen, zudem sei bereits vor fünf Jahren für jeden Patienten im Umkreis von einem Kilometer um den eigenen PLZ-Bereich herum eine barrierearme Hausarztpraxis erreichbar gewesen.

Arztsuche ist nicht der Katalog eines Bausachverständigen

Trotz allem findet die KV es grundsätzlich nachvollziehbar, dass die Beauftragten ein einheitliches Zertifizierungssystem fordern. Dieses würde jedoch „einen enormen Bürokratieaufwand für die Niedergelassenen bedeuten“ und sei „aktuell in keinster Weise gegenfinanziert“. Aus pragmatischer Sicht müsse daher verständlich sein, dass die Suchkriterien zur Barrierefreiheit in der Arztlis­te nicht den Umfang des Kriterienkatalogs eines Bausachverständigen haben können.

Ähnlich äußerte sich die KV Thüringen. Sie betont, dass sie die Forderungen der Beauftragten nicht als „Vorwurf“ auffasse, sondern als „öffentlichkeitswirksame Erinnerung an ein gemeinsames Anliegen“. Auch sie arbeitet schon lange mit der Landesbeauftragten und vielen Interessenvertretungen für Menschen mit Behinderung zusammen.

Die Online-Arztsuche der KV enthält derzeit zwar noch keine Informationen zur Barrierefreiheit. Nach Inkrafttreten des TSVG habe man jedoch entsprechende Daten von den Mitgliedern angefordert und lasse von einem Dienstleister eine Plattform erstellen. Am Ende sollen die Niedergelassenen die Angaben zu Sprechzeiten und Zugangsmöglichkeiten selbst online pflegen können.

Medical-Tribune-Bericht

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