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Mehr Ärzte aufs Land: Meine Ideen für Anreize

Autor: Dr. Frauke Höllering

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Finanzielle Anreize! Wenn Dr. Frauke Höllering von den Plänen hört, mit denen der neue Gesundheitsminister mehr Kollegen in ländliche Regionen locken will, bekommt sie das Grausen. Sie hat viel bessere Ideen parat: Man könnte Landärzten das Leben erleichtern und so dem Medizinermangel entgegensteuern.

Gestatten Sie, dass ich mich ein wenig in meinem Ruhm sonne. Gehöre ich doch einer seltenen, ja kostbaren Spezies an: der Landärztin. Gut, so ganz auf dem Land praktiziere ich nicht, eher kleinstädtisch, aber mein Umfeld im Sauerland bringt doch endlose Wälder und weite Felder mit sich, und einen sich jetzt schon abzeichnenden Arztmangel.


Nachdem unser neuer Bundesgesundheitsminister überraschend nicht der Mann mit der Fliege, Karl Lauterbach, geworden ist, der seinen unter vier Augen durchaus vorhandenen Charme gern unter sauertöpfischen Bemerkungen versteckt, sondern Hermann Gröhe, werden die Karten neu gemischt. Überraschung! Wird nun alles anders?


Gespannt hatte ich auf seine erste Verlautbarung gewartet, die auch nicht lange auf sich warten ließ. „Wir haben einen Ärztemangel im ländlichen Bereich!“, schrie es mir aus einer Zeitung entgegen, „dagegen werde ich energisch angehen!“  Abends wurde dem zitternden Volk dann auch in der Tagesschau versichert, dass man im Bundesgesundheitsministerium das Heilmittel schon in Planung hätte: finanzielle Anreize! Mancher überlastete Landarzt wird gähnend zum Butterbrot gegriffen und sich im Stillen gefragt haben: „Was daran ist jetzt so neu oder gar bahnbrechend?“

»Soll man Ärzte mit Finanz-Anreizen aufs land locken?«

Alle Gesundheitsminister der letzten Jahre wollten die Ärzteversorgung auf dem Lande verbessern. Wer schon als Abiturient weiß, dass er mal Hausarzt auf dem Lande werden will, darf also auf Studienplatz und finanzielle Zuschüsse hoffen. Aber wer fragt eigentlich das Land, ob es auf diese Kollegen hofft? Wollen wir Ärzte, die nur durch Finanzmittel „überzeugt“ unsere Versorgung übernehmen? Wie lange „muss“ man eigentlich auf dem Land niedergelassen sein, bis man das Geld endgültig sein Eigen nennen und sich dann bei Bedarf in die Großstadt verkrümeln darf?


Da gefällt mir doch eher die Idee, dass man junge Menschen, die auf dem Lande groß geworden sind, als Ärzte aufs Land locken will. Tolle Sache! Warum aber muss man sie locken? Wer nicht ständig Kuhmist von seinem Kotflügel putzen und Schützenfeste als Höhepunkt des kulturellen Erlebens empfinden will, wird das Land so oder so aus seinen beruflichen Überlegungen heraushalten; schließlich weiß er ja, was ihn erwartet.


Zum Beispiel auch der freundliche Nachbar, der mal eben nach hinten in Doktors Garten geht, um ihn während seiner Kaffeepause auf die juckenden Hämorrhoiden anzusprechen: „Ich komme mal eben rein, weil ich gesehen habe, dass Sie zu Hause sind.“ Wer aber gerade das liebt, die bezaubernde Landschaft, die nachbarschaftliche Vertrautheit und den heimischen Kirchturm, der braucht gar keine finanziellen Anreize. Oder?

»Weniger Tüddelkram und weniger Formulare«

Was im Übrigen ist mit den Ärzten, die jetzt schon auf der grünen Wiese praktizieren? Wer fördert sie? Vielleicht fällt es ihnen ähnlich schwer wie mir, dem zupackenden Bauern, dem alternden Waidmann zu erklären, warum er nun herzeigen solle, wie schnell er von einem Stuhl aufstehen und sich nach ein paar Schritten wieder setzen kann.  „Tüddelkraam“ hätte man das geriatrische Screening in meiner norddeutschen Heimat genannt, ein Arzt- oder Mitarbeiterin-Beschäftigungs-Mittel, dessen Sinnhaftigkeit sich mir bisher nicht erschlossen hat. Weniger Tüddelkram, weniger Formulare, weniger Ziffern, das wäre doch schon einmal eine Hilfe. Ganz ohne Kosten. Noch besser für die geschundene Landärzteschaft: Ein Ende der Regressdrohung!


Gerade der Doktor nämlich, der seinen gebrechlichen Patienten den Weg zum Neurologen oder Urologen in die nächste Großstadt nicht zumuten will, und dann die Parkinsonmedikation oder das teure Anticholinergikum gegen die Dranginkontinenz („Wirklich, Frau Doktor, das ist das einzige, das hilft!“) mal eben mit aufschreibt, wird weiterhin am Rande der Zwangsberatung durch die KV und dann des Regresses tänzeln.


Wobei es vielleicht ein Vergnügen der besonderen Art sein könnte, für eine sinnlose Medikamentenberatung („die Fachgebietsärzte sollten ihre Medikamente selbst rezeptieren, und schreiben Sie mehr Generika auf“) in die Großstadt zu fahren und sich von Kolleginnen und Kollegen, die vor lauter Häusern keine Wiese mehr sehen, etwas vom Pferd erzählen zu lassen.


Ich habe aber wenig Lust auf dererlei fragwürdige Kurzweil und schaue daher immer sehr besorgt auf meine Arzneimittel-Trendmeldung. Es gibt viel zu tun. Minister Gröhe, übernehmen Sie, und ich wünsche Ihnen eine glückliche Hand!

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