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Ministerium befiehlt: Notdienst ändern!

Gesundheitspolitik Autor: Jost Küpper

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Der Umbau des Notdienstes führt in einer KV leicht zum Streit. Besonders hart ist der Clinch in Nordrhein. Dort hat die Politik mit einem Arbeitsauftrag in das Tohuwabohu eingegriffen.

Wer rauskriegen will, an welch kurzer Leine die Politik Kassen und KVen halten kann, sollte sich den § 274 SGB V zu Gemüte führen. Dort wird alle fünf Jahre eine Prüfung durch die Aufsicht in Sachen Geschäfts-, Rechnungs- und Betriebsführung vorgeschrieben.


Bei der KV Nordrhein dauerte das Prüfintervall elf Jahre. Momentan ist es wieder soweit. Doch schon in der „vorläufigen Feststellung“ der Staatskontrolleure, verschickt vom NRW-Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA), steckt Zündstoff. Unmittelbar bevor sich die Vertreterversammlung (VV) der KV Anfang Mai zum dritten Mal in Folge wegen des Notdiensts (ND) bis aufs Messer stritt, erinnerte die Prüfbehörde daran, dass hier erst einmal Hausaufgaben zu machen sind.

Gegensätzliche Sichtweisen, wiederholte Vorhaltungen

In den VV-Sitzungen konnte man folgende gegensätzlichen Positionen zum Notdienst anhören: Möglichst wenig ändern – alles einheitlich strukturieren. Wir wollen faire finanzielle Bedingungen für alle Ärzte – es soll eine viel zu hohe ND-Steuer eingeführt werden. Die Basis wird nicht gefragt – wir informieren die Kreisstellen laufend. Es gibt ein Testgebiet für ein neues ND-System – über ein Testgebiet ist nie abgestimmt worden. Die Gesundheits-Management-Gesellschaft (GMG) ist bei ihrem ND-Job nicht zu kontrollieren – die KV-Dienstleistungstochter GMG macht exakt das, was die KV vorschreibt, usw.


All das ist jetzt tendenziell unerheblich, da die 274er-Prüfer der KV aufgaben, zunächst bei einem ND-Kernstück – den Notfallpraxen– für klare Strukturen zu sorgen. Davon gibt es 77 in Nord­rhein; 18 haben eine ziemlich unabhängige Gesellschaftsform (e.V., e.G., GbR, AG).


Der MGEPA-Ukas vom 8.5.2013 lautet: „Neben der GMG werden 18 Notfalldienstpraxen von Vereinen o.ä. Einrichtungen betrieben. Mit diesen Einrichtungen bestehen teilweise Kooperationsverträge. Einnahmen und Ausgaben dieser Einrichtungen sind für die KVNo nicht nachvollziehbar. Die von derartigen Einrichtungen betriebenen Notfalldienstpraxen sollten möglichst zeitnah von der GMG übernommen bzw. andere Notfalldienstpraxen sollten gegründet werden. Eine weitere Betreibung durch Vereine halten wir nicht für zulässig.“

Ärzte werden „versklavt“?

Wer das Sendungsbewusstsein der beiden Heerhaufen in der KVNo-VV kennt, dem schwante, dass dieser Textblock, dort vom KV-Chef Dr. Peter Potthoff persönlich verlesen, leicht zur Eskalation führen konnte. Heerhaufen eins ist die VV-Mehrheit aus Fachärzten, Psychotherapeuten und Ermächtigten plus KV-Vorstand, Heerhaufen zwei die „Opposition“ aus Hausärzteverband und Freier Ärzteschaft. Ob die Politik nun bewusst oder unbewusst an der Notbremse zog, der politische Stopp-Ruf zeigte auf jeden Fall Wirkung.


Der Hausärzteverband, mit einem eigenen ND-Konzept in die jüngste VV gezogen, musste erleben, dass die VV-Mehrheit daran kein Interesse hatte. Das lag vielleicht auch daran, dass Haus­ärztechef Dr. Dirk Mecking mal wieder die rhetorische Keule auspackte: Der KV-Vorstand wolle die Ärzte via ND „dienstverpflichten und versklaven“. Retourkutsche Dr. Potthoff: Das sei eine „schwachsinnige Behauptung“.

Auszug, Rücktritt und Aufruf zum zivilen Ungehorsam

Schnell war der Siedepunkt erreicht: Die ND-Diskussion wurde nach einiger Zeit von der VV-Mehrheit trotz bestehender Rednerliste per Abstimmung beendet. Es folgten eine VV-Pause zwecks Fraktionstreffen und dann der Auszug der Haus­ärztefraktion und eines Großteils der Freien Ärzteschaft aus der VV. Zudem traten Oppositionsmitglieder aus dem erst kürzlich um sie erweiterten Notdienstausschuss zurück. Dr. Mecking meinte unmittelbar nach dem VV-Auszug: „Lassen wir den Vorstand der KVNo im Regen stehen, leisten wir zivilen Ungehorsam.“ Dem wird das relativ wurscht sein. Dr. Potthoff zur Umsetzung der Prüfer-Vorgabe: „Das wird ein bis zwei Jahre dauern.“ Bis dahin kocht der restliche ND-Umbau vermutlich auf Sparflamme.

Notfallpraxen an KVNo: 
Auskunft nur gegen Bares


Sichtlich genüsslich hat KVNo-Chef Dr. Peter Potthoff in der VV in Düsseldorf aus Antworten von Notfallpraxis-Vertretern zitiert, die nach einem VV-Beschluss aufgefordert wurden, die Wirtschaftsdaten ihrer Vereine offenzulegen. Eine Rückmeldung: Man könne aus Zeitgründen nicht liefern bzw.: „Als Alternative stelle ich anheim, mit unserem Steuerberatungsbüro gegen Honorierung des Aufwands die Unterlagen einzusehen.“


In einem weiteren Antwortschreiben hieß es: Es bestehe kein Geschäftsverhältnis und kein Binnenverhältnis; offenbar habe die KV aber ein Infodefizit hinsichtlich der professionellen Führung von Notfallpraxen, das lasse sich in Kontakten mit dem KVNo-Vorstand sicherlich abbauen. „Wir können das gerne im Rahmen eines entgeltpflichtigen Beratervertrags vereinbaren.“

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