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Müssen wir die Fehler der Fachärzte ausbaden?

Autor: Dr. Frauke Höllering

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Meit verläuft die Zusammenarbeit von Allgemein- und fachärzten zwar harmonisch, aber eben nicht immer. MT-Kolumnistin Dr. Frauke Höllering beschreibt typische Anlässe für Reibereien.

Obgleich sich an einigen Plätzen unserer ländlichen Idylle Fuchs und Hase „gute Nacht“ sagen können, gibt es doch keinen Mangel an Fachärzten in den nahe gelegenen Kleinstädten. Es rührt und freut mich gleichermaßen, dass unsere Experten den lockenden Umsätzen der Großstädte entsagen, um uns für verhältnismäßig kargen Lohn im Kampf gegen Krankheit und allerlei Übel zu unterstützen. Für jedes Fach gibt es eine versierte Kollegin oder einen erfahrenen Kollegen, in dessen Hände ich mich ohne Skrupel begeben würde – oder auch schon begeben habe. Ja, man hat sogar ein wenig Auswahl, sodass jeder nach seinen Neigungen fündig werden sollte.


Die Briefe der Fachkolleg(inn)en öffne ich meistens mit gespannter Vorfreude. Was wurde gefunden, das ich übersehen habe? Welcher clevere Ausweg aus einer verfahrenen Situation, welche spannende Therapieoption wurde vorgeschlagen? Immer verlegen nehme ich die CDs mit tomographischen Bildern von meinen Patienten entgegen. Freimütig muss ich bekennen, dass ich beim Betrachten der Bilder zwar eine kennerhafte Miene aufsetze, aber doch nur bei grob auffälligen Befunden nachvollziehen könnte, was im Begleitbrief steht. So beschränke ich mich meist darauf, den Brief zu erörtern, und nur bei Röntgenbildern mit pathologischen Befunden ein Auge zu riskieren.

HNO-Ärztin setzt wichtige Antibiotika einfach ab

Gewiss gibt es Briefe, die mich enttäuschen. Schließlich hat der Mensch keine Motorhaube, die sich fachärztlich öffnen lässt, um das Darunterliegende zu diagnostizieren und zu reparieren. So bleibt manches ungeklärt und mancher Patient enttäuscht. „Dem anderen Doktor fiel auch nichts mehr ein, er hat nichts gefunden. Was machen wir denn jetzt?“, ist die Äußerung, die mich gleichzeitig enttäuscht und anspornt. Immerhin habe ich nicht Offensichtliches übersehen oder mich mit einer blöden Frage auf dem Überweisungsschein zum Narren gemacht.


Schwierig aber wird es, wenn von fachärztlicher Seite aus Dinge geschehen, mit denen ich so gar nicht einverstanden bin. Neulich suchte mich eine junge Dame auf, die unter rezidivierenden, eitrigen Tonsillitiden litt. Die letzte fieberhafte Angina war an einem Wochenende aufgetreten, deshalb hatte der Vater der Patientin in seinen zahnärztlichen Medikamentenschrank gegriffen und sie kurzerhand mit einem Antibiotikum versorgt. Sicherheitshalber hatte er für den nächsten Tag einen Kontrolltermin bei einer HNO- Ärztin vereinbart. (Ich erspare mir mein übliches Lamento, dass auch eine hausärztliche Kontrolle gereicht hätte ...).


„Die Ärztin hat das Antibiotikum abgesetzt“, berichtete die Patientin mit kloßiger Stimme, „und mir stattdessen homöopathische Globuli verschrieben. Es könne noch ein Weilchen dauern, sich auch zunächst noch einmal verschlechtern, aber dann würde die Heilung einsetzen.“ Ein Blick in den Hals zeigte mir, dass die junge Frau den Weg zur Verschlechterung schon munter gegangen war.


Wir einigten uns schnell, den alternativmedizinischen Versuch abzublasen und wieder die „Chemiekeule“ anzusetzen. Schon nach zwei Tagen ging es der jungen Dame deutlich besser und sie freute sich schon wieder aufs Studium. Ich aber blieb ratlos zurück mit der Frage: „Warum?“ Schließlich hat die HNO- Kollegin, bevor sie die Homöopathie entdeckte, durchaus allopathisch behandelt. Soll ich sie anrufen und fragen, gar kritisieren? Das steht mir nicht zu. Darf ich den nächsten Patienten bitten, sich HNO-ärztlich woanders beraten zu lassen, weil ich mit dieser Kollegin schon oft nicht konform ging? Oder bin ich zum Schweigen verpflichtet?

Orthopäde gefährdet das Herz mit Aufbauinfusion

Was ist mit dem Orthopäden, der meinem schwer herzinsuffizienten Patienten „Aufbauinfusionen“ geben will, die weder seine Börse noch seine Gesundheit vertragen können? Was ist davon zu halten, wenn allerlei meiner Patienten zur IGeL- Magnetfeldtherapie überredet werden und sich anschließend frustriert bei mir beklagen, dass sie nur ihr Geld, nicht aber ihre Schmerzen verloren haben?


Früher einmal gab es einen Ärztestammtisch, bei dem man sich in lockerer Runde traf; auch die Krankenhauskolleg(inn)en waren oft dabei. Ich würde mich freuen, wenn man manches wieder über Bier- oder Wassergläsern erörtern könnte, was mir jetzt im Halse stecken bleibt. Gegenseitige Kritik ließe sich im netten Geplauder unterbringen und wir alle würden voneinander lernen. Ich fürchte nur, dass ich da lange warten kann, wenn ich selbst nichts unternehme. Ich denke mal darüber nach.

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