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Neue Bedarfsplanung soll ab 2020 praxiswirksam sein

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Ziel der Bedarfsplanung ist es, jedem Bürger Ärzte erreichbar zu machen. Egal ob Land oder Stadt. Ziel der Bedarfsplanung ist es, jedem Bürger Ärzte erreichbar zu machen. Egal ob Land oder Stadt. © iStock/chachamal
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Sichtlich zufrieden präsentierte Professor Josef Hecken, der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, die in der neuen Bedarfsplanungs-Richtlinie verankerten Regelungen. Es sei „ein vernünftiges Modell“ und alle seien relativ zufrieden. Die Anpassungen sind von den G-BA-Bänken unisono beschlossen worden.

Weil die bisherigen Instrumente den Bedarf nicht realitätsnah wiedergaben, hatte der Gesetzgeber den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beauftragt, die geltenden Verhältniszahlen zu überprüfen und ggf. neue Instrumente zu entwickeln. Einen Monat früher als terminiert liegt die Richtlinie nun vor. Wird sie vom Bundesgesundheitsministerium nicht beanstandet, tritt sie am 30. Juni 2019 in Kraft. Danach haben die Landesausschüsse noch sechs Monate Zeit für die Umsetzung. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) müssen dafür u.a. die zu erwartenden neuen Niederlassungsmöglichkeiten korrekt ausweisen.

Begrenzung für Kardiologen, Quote für Rheumatologen

Die Berechnungen des G-BA für die Bundesebene gehen von 6906 Niederlassungsmöglichkeiten für Ärzte und Psychotherapeuten aus. Das sind 3470 mehr als zurzeit. Als größte Profiteure von Zuwächsen sieht der G-BA-Chef Länder mit wenigen Ballungsräumen und viel Land wie Bayern, Baden-Württemberg und die ostdeutschen Länder, aber auch NRW.

„Die mit Zustimmung der Patienten- und auch Ländervertreter beschlossenen Neuerungen stärken insbesondere die haus- und kinderärztliche Versorgung und die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen“, berichtete Prof. Hecken. Konkret entfallen 1446 der neuen Sitze auf Hausärzte, rund 776 auf Psychotherapeuten, 476 auf Nervenärzte und 401 auf Kinder- und Jugendärzte. Bei den allgemein tätigen Fachärzten sei der Status quo von 130 % zudem auf 100 % gesetzt worden, so Prof. Hecken, wodurch sich auch hier 32 weitere Niederlassungsmöglichkeiten ergäben.

Der Über- bzw. Unterversorgung bei Subspezialisten setzen die geänderten Vorgaben zudem ein Ende. So ist innerhalb der Arztgruppe der Fachinternisten für Rheumatologen eine Mindestquote von 8 % festgelegt, nach fünf Jahren wird eine Erhöhung auf 10 % geprüft. Für Kardiologen ist ein Maximalanteil von 33 %, für Gastroenterologen von 19 %, für Pneumologen von 18 % und für Nephrologen von 25 % vorgesehen. Die Anteile sollen später auch in der Weiterbildung Berücksichtigung finden.

Entsprechende Festlegungen gibt es auch für die Bedarfsplanungsarztgruppe der Nervenärzte – zu der Nervenärzte, Ärzte mit doppelter Facharztanerkennung in den Gebieten Neurologie und Psychia­trie sowie Neurologen und Psychiater zählen. So wird ein Mindestanteil von 25 % für Nervenärzte sowie für Ärzte mit doppelter Facharztanerkennung in den Gebieten Neurologie und Psychiatrie vorgegeben.

Unwucht beseitigt bei Psychotherapeuten-Sitzen

Zudem wurde eine Regelung zur gleichmäßigen Verteilung der Neurologen und Psychiater getroffen. Prof. Hecken verwies auch auf eine Unwucht bei Psychotherapeuten, die daraus resultiere, dass in der DDR nur wenige gegeben habe und nach der Wende ein Status quo festgeschrieben wurde. Wie groß der Bedarf an zusätzlichen Psychotherapeuten-Plätzen letztendlich sein wird, vermochte Prof. Hecken nicht zu beziffern. Der G-BA berechnete 196 für die neuen Bundesländer (74 in Brandenburg, 49 in Sachsen-Anhalt, 38 in Sachsen, 20 in Thüringen und 15 in Mecklenburg-Vorpommern). Hier müsse man in Rückkopplung mit den KVen jedoch „feinjustieren“.

Wie der Unparteiische betonte, sind die Festlegungen des G-BA zur Bedarfsplanung als allgemeiner Rahmen zu verstehen. Länder und Landesausschüsse dürften je nach regionalen Gegebenheiten abweichen und zusätzliche Niederlassungsmöglichkeiten eröffnen. Um z.B. die Versorgung in ländlichen und strukturschwachen Regionen zu stärken, können Landesbehörden (in Umsetzung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes) Zulassungssperren für die Neuniederlassung aufheben.

Der G-BA stützte sich bei seinem Beschluss auf ein beauftragtes Gutachten zur Weiterentwicklung der Bedarfsplanung, eigene Modellrechnungen und Vorstellungen der Ländervertreter. Die Berechnung der Verhältniszahlen – Einwohnerzahl pro Arzt – erfolgt demzufolge künftig auf Grundlage eines weiterentwickelten Demografiefaktors.

Zeitliche Erreichbarkeit der Praxis wird berücksichtigt

Eingeteilt wird in vier Altersgruppen (0–20, 20–45, 45–75 und über 75 Jahre) sowie jeweils nach Geschlecht. Danach wird die Morbiditäts-, Alters- und Geschlechtsstruktur der Bevölkerung eines Planungsbereichs im Vergleich zum bundesdurchschnittlichen Morbiditätsniveau bei der Bedarfsermittlung berücksichtigt.

Den Empfehlungen des Gutachtens wurde auch hinsichtlich der zeitlichen Erreichbarkeit einer haus- oder fachärztlichen Praxis gefolgt. Es sind Pkw-Minutenwerte definiert, innerhalb derer der überwiegende Teil der Einwohner einer Region verschiedene Arztgruppen erreichen können soll. Das betrifft allerdings nur nicht unterversorgte Planungsbereiche. Ansonsten würde es in einer ländlichen Region vielleicht Ärzte geben, aber nicht genügend Patienten.

Eine Evaluation der Richtlinien-Anpassung soll nach fünf Jahren erfolgen. Die Nachjustierung entsprechend Alter und Morbidität der Patienten erfolgt alle zwei Jahre.

Dr. Stephan Hofmeister, stellv. Vorstandschef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, bedankte sich bei allen Beteiligten für das „konstruktive einstimmige Ergebnis“. Das zeige, dass die Selbstverwaltung funktioniere. Allerdings schaffe „Planung noch keine Köpfe“, sagte er mit Verweis auf fehlende Interessenten u.a. für die unbesetzten Stellen bei Hausärzten. Auch Dr. Thomas Uhlemann, GKV-Spitzenverband, Alexander Krebs-Müllenberg, Deutsche Krankenhausgesellschaft, und die Patientenvertreterin Ursula Faubel zeigten sich mit dem Beschluss zufrieden.

Medical-Tribune-Bericht

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