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Noch selten: Die barrierefreie und behindertengerechte Arztpraxis

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

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Barrierefreie Arztpraxen sind keine Selbstverständlichkeit. Es mangelt nicht an Problembeschreibungen, Appellen und guten Ratschlägen zur Inklusion. Es gibt ein Umsetzungsdefizit, stellt der Architekt Eckard Feddersen fest.

Die "barrierefreie Praxis" ist ein Projekt, dem sich die Stiftung Gesundheit schon vor Jahren widmete. Eine Umfrage zeigte, dass es zwar in Tausenden Praxen einzelne Vorkehrungen und Komponenten zur Barrierefreiheit gibt (ebenerdig, Aufzug, rollstuhlgerechte Räume, Behindertenparkplätze etc.).

Doch "der größte Teil der Praxen ist nicht barrierefrei und nicht behindertengerecht", räumt Dr. Günther Buchholz, Vorstandsvize der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, offen ein.

Gesprochen und geschrieben wurde schon ausreichend

Der Zahnarzt erzählt vom eigenen Praxisumzug: An einen für Rollstuhlfahrer erreichbaren Behandlungsraum und einen abgesenkten Teil am Empfangstresen wurde gedacht, an rutschfeste Böden, gute Beleuchtung und Ausschilderungen, ein behindertengerechtes WC etc.

Doch solche Dinge bleiben den Überlegungen und dem Geldbeutel des Praxisinhabers überlassen. Anders als für den Desinfektionsspender im Röntgenraum oder die Feuerlöscher gebe es keine genehmigungsrechtlichen Vorgaben, so Dr. Buchholz.

 

KZBV und KBV, Bundesärztekammer und BZÄK haben sich im letzten Jahr auf einer Tagung dem Thema Barrierefreiheit gewidmet, es gibt auch eine informative Broschüre dazu. Doch mit der Idee eines Förderprogramms der Kreditanstalt für Wiederaufbau zum behindertengerechten Umbau von Praxen sei man politisch nicht durchgedrungen, berichtet Dr. Buchholz.

Auf die Betreiber von Praxen, die neu eingerichtet werden, zielt ein Angebot, das die Stiftung Gesundheit fürs nächste Jahr vorbereitet. Jährlich lassen sich rund 12 000 Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten neu nieder. Hinzu kommen rund 8500 Praxisverlegungen, sagt der Vorsitzende Dr. Peter Müller.

Online-Expertensystem für Ärzte, Planer und Handwerk

Diese Zielgruppe will die Stiftung mit einem kostenfreien Online-Expertensystem erreichen. Das Projekt „Praxis-Tool Barrierefreiheit“ will Ärzte und deren Dienstleister bei der Planung des Neu-, Aus- oder Umbaus einer Praxis mit Empfehlungen unterstützen. Denn manchmal sind es so einfache Dinge wie ein Klingelknopf in 80 cm statt 1,5 m Höhe, die Barrieren abbauen, weiß Dr. Müller.

"Inklusive Architektur im universalen Design" – diesen Ansatz propagiert der Architekt Eckard Feddersen. Ihm geht es darum, dass Gebäudeteile und Interieurs ästhetisch wie unauffällig nutzer- bzw. behindertenfreundlich gestaltet werden.

Beispiele: Ein MVZ führt die Fachabteilungen in farbig unterscheidbaren Gebäudeteilen. Hauseingänge sind über befahrbare Flächen direkt erreichbar und nicht über steile Treppen, ferne Aufzüge oder umständliche Rampen. Tresen sind für Rollstuhlfahrer "unterfahrbar".

Auch Praxisteam spielt eine große Rolle

In Gängen laden niedrige Fensterbänke zum Sitzen und Verschnaufen ein. Für einen alten Menschen darf ein Weg nicht länger als 500 Meter oder 1000 Schritte sein, sagt Feddersen.

Neben allen baulichen Maßnahmen spielen auch die Beschäftigten eine große Rolle, betont Zahnarzt Dr. Buchholz. Er meint damit Mitarbeiter, die z.B. Patienten an der Hand nehmen, um sie sicher durch die Praxis zu führen, oder die ihnen in diskreter Umgebung beim Ausfüllen von Formularen helfen.
 

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