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Österreichs Ärzte bereiten sich auf Spitzel-Patienten vor

Gesundheitspolitik Autor: Klaus Schmidt, Foto: fotolia

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Aufregung gibt es derzeit unter Österreichs Ärzten über geheime Kontrollen durch Spitzel-Patienten der Kassen. Diese sollen aufdecken, ob die Ärzte Patienten leichtfertig Medikamente verschreiben oder Krankenstände zulassen.

Seit Jahresbeginn sind die Sozialversicherungen in unserem Nachbarland gesetzlich ermächtigt, Kassenordinationen durch Krankenkassen-Spitzel, sog. Mystery Shopper, zu kontrollieren. Damit stelle die Regierung Ärzte und Patienten unter Generalverdacht, kritisiert die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK). Die Sozialversicherung hat bereits Durchführungsrichtlinien beschlossen, bundesweit starten werden die Kontrollen aber wohl erst 2017.

"Es wird hier nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Vielmehr geht es darum, dass die Sozialversicherungsträger dieses Instrument mit äußerstem Augenmaß einsetzen", betont Ingrid Reischl, Vorsitzende der Trägerkonferenz und Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse.

"Teure Schikane: Das wird mehr kosten, als es bringt"

Ähnlich urteilt die Vorsitzende des Hauptverbands der Sozialversicherungen, Ulrike Rabmer-Koller: "Unsere Versicherten und auch die Vertragspartner müssen sich darauf verlassen können, dass beim Besuch in der Ordination kein Missbrauch wie etwa das Verschreiben von ungerechtfertigten Krankenständen oder die Ausstellung von Rezepten ohne Arztkontakt passieren kann. Mit Beschluss der Mystery-Shopping-Richtlinie bauen wir ein Sicherungssystem auf, mit dem wir Sozialmissbrauch aufdecken und schwarze Schafe zur Verantwortung ziehen."

Der Präsident der Wiener Ärztekammer, Thomas Szekeres, hält von der Spitzelei gar nichts: "Da wird das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten und Patienten erschüttert. Wenn ich annehmen muss, dass ein Patient ein Spitzel ist, ihm nicht glauben darf, dass er Kopfweh oder Depressionen oder Burnout hat, wo kommen wir da hin? Das ist eine teure Schikane, ich glaube, das wird mehr kosten, als es bringt."

Diese wohl einzigartige Mystery-Shopping-Sonderregelung für Ärzte ist in seinen Augen skandalös. Zumal die Einsparungen bescheiden sein dürften: Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger gebe den durch E-Card-Betrug entstandenen Schaden für das Jahr 2014 z.B. bei der Wiener GKK mit insgesamt 1695,79 Euro an. Kammer-Vizepräsident Dr. Johannes Steinhart wundert sich: "Und dafür brauchen wir allen Ernstes Mystery Shopper?"

In einer Informationsoffensive empfiehlt die Ärztekammer den Kassenärzten eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen. Zum Beispiel sollten sie bzw. ihre Mitarbeiter konsequent die ldentität von ihnen unbekannten Patienten mittels Überprüfung eines amtlichen Lichtbildausweises feststellen. Könne sich ein Patient nicht ausweisen, so sollte – ausgenommen in Notfällen – die Behandlung, gemäß den geltenden Bestimmungen, prinzipiell abgelehnt werden.

Patienten sollten im Zweifelsfall an die zuständige Krankenkasse verwiesen werden. Kassenarztpraxen in ganz Österreich werden von der ÖÄK mit Info-Flyern für Patienten mit dem Titel "Spione zerstören Vertrauen" versorgt. Auch Plakate und Wartezimmer-TV informieren über das Problem Mystery Shopping und seine negativen Auswirkungen.

Noch keine Gefahr für Ärzte in Deutschland?

Die Patienten müssten darüber aufgeklärt werden, "dass diese Maßnahmen nicht eigenmächtig oder gar böswillig getroffen werden, sondern zur rechtlichen Absicherung ihres Arztes", so Dr. Steinhart. Es sei zu hoffen, dass in puncto "Mystery Shopping" bei Politikern und den Entscheidungsträgern der Sozialversicherung ein Umdenken einsetze und dieses Gesetz wieder rückgängig gemacht werde.

In Deutschland müssen die Vertragsärzte nicht mit Kassen-Spitzeln in der Praxis rechnen. Auf Anfrage von Medical Tribune teilte die AOK mit, dass sie sich bisher nicht mit dieser Idee beschäftigt hat: "Wir haben nach § 197a SGB V Möglichkeiten zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen, dürfen hier aber nur entsprechenden Hinweisen nachgehen. Nach einer ersten Einschätzung unserer Rechtsabteilung gibt es für 'Mystery-Shopping'-Aktivitäten wie in Österreich keine rechtliche Grundlage im deutschen Sozialgesetzbuch."


Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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