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Opa muss ins Krankenhaus!? Wo krieg ich bloß ein Bett?

Autor: Dr. Frauke Höllering

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Dr. Frauke Höllering über fehlende Krankenhaus-Betten und Kapazitätts-Abbau.

Eigentlich war das Krankenhaus das Letzte, in dem ich den alten Herrn sehen wollte. Schließlich hatte er, obgleich die 90 schon vor einigen Jahren überschritten, noch im letzten Sommer eigenhändig das Kaminholz gehackt.

Doch nun hatte sein Herz die Segel gestreckt bzw. verkalkt; dank einer zunehmenden Aortensklerose und Myokardinsuffizienz entwickelten sich Luftnot und Beinödeme. Trotz leitliniengerechter Medikamente drückte sich das Wasser durch die zarte Haut der Unterschenkel, und mir war klar: Hier war ein Krankenhausaufenthalt zur Stabilisierung nötig.

Also rief ich in meinem Lieblingskrankenhaus an und fragte die diensthabende Kollegin nach einem Bett. „Kardiologisch oder internistisch?“, so ihre Rückfrage. „Kardiologisch habe ich keines mehr frei.“ „Dann internistisch“, sagte ich, „das, was getan werden muss, ist ja nun kein Hexenwerk, und die Kardiologen können später mal draufschauen.“ – Pause. „Ich habe auch kein internistisches Bett“, kam dann die Nachricht, obgleich ich jemanden im Hintergrund hatte flüstern hören: „Auf der 1c ist noch eins!“

„Dann können Sie den alten Herrn nicht aufnehmen?“, fragte ich rhetorisch zurück. „Ach, ist der Patient ein Pflegefall?“, wollte die Kollegin wissen, und ich konnte nicht recht unterscheiden, ob der Tonfall abschätzig oder einfach nur genervt war. „Nein, das ist er nicht“, entgegnete ich, „er braucht nur vorübergehend Pflege; ansonsten wohnt er noch im eigenen Haus mit seiner Frau. Und ein ‚Fall‘ ist er auch nicht, sondern ein netter alter Herr.“

„Rufen Sie den Rettungsdienst und lassen ‚die‘ ein Bett suchen."

Nichts zu machen. „Wir können ihn nicht nehmen“, lautete das endgültige Urteil. Also rief ich im Nachbarort an. Leise murmelnd teilte mir der diensthabende Internist, den ich wohl in einer Besprechung gestört hatte, zu seinem Bedauern mit, dass er kein Bett für meinen Patienten habe. „Was soll ich denn jetzt mit ihm machen?“, fragte ich, langsam entnervt. „Ihn notschlachten?“ Aber das ging dem netten Kollegen dann doch zu weit. „Rufen Sie den Rettungsdienst und lassen ‚die‘ ein Bett suchen. Wenn ‚die‘ eins brauchen, muss man eines bereitstellen. Alles Gute!“ Weg war er.

Ich stellte mir fleißige Handwerker vor, die schnell ein Bett schnitzten und es in einem eiligst errichteten Container aufstellten, um meinen Patienten zu beherbergen. Oder gab es etwa ein paar geheime Räume, die man für diese Fälle aktivieren konnte? Über die aber ein böser Zerberus wachte, der sie nicht freigab, wenn man höflich vor Bestellung des Krankentransportes anrief und um einen Platz nachsuchte, statt die Kundschaft einfach vor die Tür zu karren?

Warum sprechen alle vom weiter nötigen Bettenabbau?

Eine Karte hatte ich noch, deren Wertigkeit hoch war, die aber selten stach: die Geriatrie. Ich liebe diese Abteilung, in der die Kollegen reizend sind, die Betreuung liebevoll ist und die Patienten im wahrsten Sinne wieder aufgepäppelt werden. Aber wenn ich dort ein Bett haben wollte, musste ich das meistens eine Woche vorher anmelden. „Haben Sie einen Platz für einen netten alten Herrn?“, fragte ich mutlos – und glaubte an eine akus­tische Halluzination, als die Antwort schlicht „Ja“ lautete.

Ich gab die persönlichen Daten und den Aufnahmegrund an und bestellte, immer noch ungläubig staunend, den Krankentransport. Mein Patient nahm sein neues Ziel frohgemut zur Kenntnis, weil seine Frau vor nicht allzu langer Zeit in derselben Abteilung ihre Lebensgeister wiedergewonnen hatte. Eine halbe Stunde später rief die „erste“ Klinik in meiner Praxis an und teilte mit, dass man nun ein Bett für den Patienten habe.

Die Kliniken sind voll. - Oder?

Gerne hätte ich gewusst, wo das aufgetaucht ist: Versteckt hinter einer Grünpflanze? Vergessen auf einem Balkon oder im finsteren Keller? Hatte man nur ein Bett oder gar ein Zimmer dazu gefunden? Hinter einer geheimen Tür, die man schon immer mal erforschen wollte, aber nie dazu gekommen war? Oder hatte man einen anderen Patienten auf den Heimweg geschickt, um Platz für den nächsten zu schaffen – vielleicht, weil er „nur ein Pflegefall“ war?

Ich würde es nicht erfahren, weil wir dem Anrufer mitteilen konnten, dass wir fündig geworden waren. – Viel mehr aber interessiert mich auch die Frage: Warum spricht jeder vom weiter nötigen Bettenabbau? Wir überlegen schon genau, ob wir jemanden einweisen. Das ist ja schließlich schon eine Belastung, gerade für ältere Menschen. Aber die Kliniken sind voll. Oder? 

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