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Organspender werben - das ist harte Arbeit!

Autor: Dr. Cornelia Tauber-Bachmann

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Bereit sein zur Organspende. Da habe viele erhebliche Bedenken. Wie überzeugt MT-Kolumnistin Dr. Cornelia Tauber-Bachmann ihre Patienten?

Vor mir sitzt eine sehr energische, aber in sich ruhende Frau mittleren Alters. Sie war zur Kontrolluntersuchung nach einer heftigen Angina gekommen – die Frau schien sich gut erholt zu haben. Erst vor Kurzem hatte sie sich von ihrem Mann getrennt. Trotz einiger gesundheitlicher Widrigkeiten im Zusammenhang mit der Trennung kommt sie inzwischen gut mit ihrer neuen Lebenssituation klar. Nun ist sie dabei, Wohnung, Finanzen, Beziehungen, kurz, ihr ganzes Leben aufzuräumen und denkt auch über einen Organspendeausweis nach.


Für mich kommt das etwas überraschend: Trotz Diskussionen in Politik und Medien bin ich lange Zeit nicht auf dieses Thema angesprochen worden. Merkblätter und Vordrucke für Organspendeausweise liegen seit Jahren – und regelmäßig erneuert – scheinbar unbeachtet im Wartezimmer. Auch das Plakat „Wir sind Organpaten“ hängt in unserer Praxis, die Infos für Ärzte haben wir gelesen und uns auch als Ansprechpartner angeboten. Na, da ist ja doch was angekommen, freue ich mich. Muss mich dann aber sehr zurückhalten, um nicht gleich mit meinem ganzen Wissen rauszusprudeln und die Patientin zu überfordern.

Rosige Haut trotz Hirntod verwirrt potenzielle Spender

Aber als bemühte Hausärzt-in habe ich ja ein Kommunikationstraining absolviert. Und so frage ich die Frau erst mal nach ihren Fragen. Es stellt sich heraus, dass sie große Bedenken hat, ob sie denn im Falle einer Organentnahme auch wirklich tot sei. Sie berichtet über einen Angehörigen ihres Noch-Mannes: Rosig und frisch habe dieser Verwandte einst als potenzieller Organspender in seinem Intensivbett gelegen – unvorstellbar seinerzeit, dass dieser Mensch wirklich tot gewesen sei. Sie habe damals große Probleme gehabt, überhaupt an eine Organentnahme zu denken.


Also schildere ich ihr die strengen Vorgaben, nach denen der Tod eines Organspenders festgestellt wird. Spreche von Nulllinien-EEG und Hirntod, und dass die Patienten nur so rosig und frisch aussehen dank intensivmedizinischer Maximaltherapie. Diese sei wiederum nötig, um die Organe bis zur Entnahme gut zu durchbluten und so die Funktion zu erhalten. Die Frau nimmt die Informationen auf. Doch ich bin mir nicht sicher, ob ihre Bedenken ausgeräumt sind. Auf jeden Fall gebe ich ihr einen Flyer mit, auch einen Spenderausweis lege ich bei.

Kollidiert die Patientenverfügung mit der Organspende?

Ein paar Wochen später: Bei ihrer nächsten Konsultation möchte dieselbe Frau wegen einer Patientenverfügung beraten werden. Sie zitiert in etwa den Ärztekammerpräsidenten Dr. Montgomery, dass sich die Ablehnung einer Beatmung und Organspende ausschließen würden – diese Aussage hat sie wohl einem Interview entnommen. Und schon bin ich wieder am Zug. Erneut ist viel Aufklärung nötig und die Frau wirkt sichtlich frustriert, als ich ihr erkläre, dass im Falle eines Unfalls der Notarzt sicher zunächst alle nötigen medizinischen Maßnahmen inklusive Reanimation und Beatmung einleiten würde, bevor er nach einer Patientenverfügung suche. Nachdenklich verlässt sie die Praxis.


Wie es der Zufall will, kommt noch am selben Tag eine Patientin, gerade nach einer Nierentransplantation aus dem Krankenhaus entlassen, wegen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu mir. Nach acht Jahren Peritonealdialyse hat sie die lang ersehnte Nierentransplantation erhalten. Sie fühlt sich noch extrem schwach, ist aber unbeschreiblich glücklich und sieht ihr zukünftiges Leben in Freiheit von der Maschine in rosigem Licht.


So sieht die andere Seite aus! Diese Patientin ist dem unbekannten Spender überaus dankbar und würde sich gerne bei den Angehörigen bedanken – was wegen der Anonymität ja nicht möglich ist. Doch: Erfahrungsgemäß sehnen sich viele Hinterbliebene, die ihre Einwilligung zur Organspende für einen Angehörigen gegeben haben, nach einem Beweis, dass sich ihr Ringen um diese schwere Entscheidung für einen anderen Menschen gelohnt hat. Lässt sich da nicht ein anonymisierter Briefkontakt herstellen? Oder wäre das für alle Beteiligten emotional zu belastend? Letztlich kann ich es nicht beurteilen, denn ich sehe nur die einzelnen Schicksale. Experten eines Transplantationszentrums haben da sicher einen besseren Überblick.

Warum dürfen Organempfänger sich nicht bedanken?

Schmunzeln muss ich dann allerdings bei der nächsten Patientin: Sie ist weit über 80 und erklärt mir anlässlich einer Kontrolluntersuchung, bei der ich auch das Thema „Patientenverfügung“ anspreche, frank und frei: „Meine Organe gehören mir!“ Bevor ich einatmen kann, um ihr zu antworten, legt sie mir detailliert dar, dass sie nicht zulasse, dass mit ihren Organen Handel getrieben wird und führt die Lektüre ihres letzten Krimis als Hauptargument an. Was soll ich dazu noch sagen?

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