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„Patientendeutsch“ verlängert das Arztgespräch

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Verständliche Darstellung der Vor- und Nachteile von Behandlungsmöglichkeiten – das versucht das IQWiG mit einer speziellen Website. Verständliche Darstellung der Vor- und Nachteile von Behandlungsmöglichkeiten – das versucht das IQWiG mit einer speziellen Website. © gesundheitsinformation.de
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Nicht einmal jeder Zweite in Deutschland verfügt über ausreichend Gesundheitskompetenz – mit fatalen Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft. Ein neuer „Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz“ soll es richten.

Dass 54 % der Deutschen nur über eine unzureichende Gesundheitskompetenz verfügen, belegt eine Studie der Universität Bielefeld (2013−2016). Die Defizite betreffen vor allem Menschen mit Migrationshintergrund (71 %), geringem Bildungsniveau (62 %), niedrigem Sozialstatus (78 %), chronischer Krankheit (73 %) sowie Senioren in höherem Alter (66  %).

Der Nationale Aktionsplan Gesundheitskompetenz beinhaltet nun 15 Empfehlungen, um die Gesundheitskompetenz in den Handlungsfeldern Lebenswelten, Gesundheitssysteme, Forschung und chronische Erkrankungen zu verbessern. Entwickelt wurde er durch die Universität Bielefeld gemeinsam mit der Hertie School of Governance und dem AOK-Bundesverband.

Bei der Vorstellung des Aktionsplanes wurde das Anliegen durchweg positiv bewertet. So beinhaltet der Plan u.a. bezüglich der Ernährung eine verbindlich einzuführende Lebensmittelampel, das Verbot von Werbung mit Falschinformation sowie das Festlegen verbindlicher Ziele zur Reduktion von Salz, Fett und Zucker in Fertigprodukten. Zwecks Stärkung der kritischen Urteilsfähigkeit bezüglich Gesundheitsinformationen werden systematische Aufklärungskampagnen zur Nutzung von sozialen Netzwerken und Gesundheits-Apps vorgeschlagen.

Es geht um abzustimmende Aktionen: Man könne eine Ernährungspyramide in der Schule vermitteln, dies bringe aber nicht viel, wenn zugleich das Mittagessen schlecht sei oder Sportunterricht ausfalle, so Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes.

Für das Gesundheitssystem sehen die Empfehlungen vor, Patienten die Navigation durch die Angebote zu erleichtern, Antragsprozesse zu vereinfachen und Unterstützungs­angebote wie das Case-Management auszubauen. Die Kommunikation zwischen den Gesundheitsprofessionen und Nutzern soll verständlich und wirksam gestaltet werden – sichergestellt über eine „patientenzentrierte, barrierefreie, kultur- und gen­dersensible Kommunikation über theoretisch und methodisch fundierte Gesprächsführungstechniken und wissenschaftliche Standards“.

Bei der Kommunikationskompetenz der Ärzte habe sich schon vieles getan, erklärte Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery mit Verweis auf die neue Weiterbildungsordnung.

Prof. Montgomery: „Gebt Ärzten mehr Zeit“

Der Präsident der Bundesärztekammer sieht jedoch die „Zeit-Budgetierung“ der ärztlichen Arbeit als große Hürde für ausreichende Kommunikation: „Gebt Ärzten mehr Zeit, dann können sie auch viel leichter mit ihren Patienten kommunizieren.“ Es sei Aufgabe der Ärzte Patienten alles zu erklären, bestätigte er, müsse dies aber auf „Patientendeutsch“ geschehen, dann dauere die Kommunikation noch länger.

Martin Danner, Bundesgeschäftsführer der BAG-Selbsthilfe bekräftigte, dass die Menschen im heute sehr komplexen Gesundheitssystem Unterstützungsangebote brauchen. Informationsmaterialien seien eher akademisch zugeschnitten, sie müssten verständlicher werden.

Im Detail wurde auch dezent Kritik an den Empfehlungen im Nationalen Aktionsplan geübt. So sind in dem doch sehr theoretisch gefassten Plan weder Zeiträume vorgegeben noch Verantwortlichkeiten verankert. Ebenso wenig ist klar, wer alles bezahlen soll. Manche Lösungsvorschläge sind auch überholt, wie etwa die vorgeschlagenen Projektwochen zur Gesundheitskompetenz in Schulen und Kitas. Landes-Gesundheitsprogramme gehen bereits weit darüber hinaus, wie Beate Proll, Berichterstatterin für Prävention der Kultusministerkonferenz, deutlich machte: „Wir fangen hier nicht bei null an.“

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