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Patientin 50+ und der eigene Körper wird zum Feind

Autor: Dr. Frauke Höllering

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Bauchfett, Alterswarzen, Falten - was tun wenn der Körper zum eigenen Feind wird?

»«In der guten alten Zeit, als ich noch die Muße zum Durchschlendern von Fußgängerzonen hatte, schaute ich hin und wieder kopfschüttelnd älteren Damen hinterher: Ihre Hosen waren schlicht zu kurz und das sah meis­tens wenig vorteilhaft aus. Nun, selbst in mittleren Jahren, wurde mir die schmerzhafte Erkenntnis zuteil, dass so ein „Hochwasser“ einen schlichten Grund hat: Der menopausale Umbau sorgt dafür, dass sich aller Speck, den man bis dato noch hübsch verteilt hatte, im Bauchraum bindet. Die geliebten Hosen sind nun alle zu eng, die Bauchrolle fordert mehr Stoff und schon zieht sich der Schritt nach oben und mit ihm die Hosenbeine.

»Bauch frustriert Frauen mehr als Falten«

Was das mit Medizin zu tun hat? Seit seiner Einführung nutze ich die Gelegenheit des Check-ups, auch ein Hautkrebsscreening durchzuführen. Während Männer sich, ihrer ganzen Schönheit gewiss, ungeniert entblättern und nur zusammenzucken, wenn es um die Inspektion der Vorhaut geht, sind meine Geschlechtsgenossinnen weit schamhafter. Wenn sie die 50 überschritten haben, betrachten sie schon beim Abstreifen anklagend ihren Bauch: „Schauen sie sich das mal an!“, sagen sie unisono, „das geht ja gar nicht!“ Ob sie eigentlich noch schlank sind, und sich höchstens ein 500-g-Päckchen am Hosenbund versammelt hat, oder ob sich tatsächlich größere Speckmengen auf die Wanderschaft gemacht haben: Diese Körperform frustriert meine Patientinnen weit mehr, als alle Falten es tun. 


Aber auch andere Hautveränderungen sind häufig der Anlass zu Diskussionen, die mich überlegen lassen, auch noch eine psychosomatische Ziffer zum Einsatz zu bringen. „Schauen sie sich mal diese ekligen, roten Dinger an, die sich auf meinem Oberkörper ausbreiten!“, klagte eine Mittfünfzigerin. „Ich traue mich ja gar nicht mehr, Ausschnitt zu tragen!“ Eine andere, gerade erst in den Vierzigern, konstatierte nach Freilegung ihrer zarten Besenreiser: „Die müssen weg. Sonst kann ich nicht mehr in den Badeurlaub fah­ren“. Gnadenlos gehen die Damen mit sich ins Gericht und hadern mit ihrem Schicksal, weil sie glauben, nur sie allein seien mit solchen Alterserscheinungen gestraft.

»Alterswarzen geben der angeschlagenen Psyche den Rest«

Hämangiome, Naevi und Varizen sind aber nichts gegen Verrucae seniles. Wenn diese zögerlich und mit Abscheu entblättert werden, komme ich in große Not, weil ich nur eine Frage fürchte: „Was sind das denn für widerliche Flecken?“ Denn die ehrliche Antwort „Alterswarzen“ könnte der angeschlagenen Psyche der Betroffenen den Rest geben. Also flüstere ich das Schreckenswort gemeinhin, um lauter hinzuzufügen, dass diese Veränderungen völlig harmlos seien. Nach meiner Erfahrung sind aber erst Siebzigjährige in der Lage, diese niederschmetternde Diagnose in graziöser Demut hinzunehmen.


„Gehen Sie mal wieder schwimmen“, riet ich neulich einer Patientin, bei der sich zu ihrer Verzweiflung Bauchrolle und einzelne Alterswarzen eingestellt hatten. „Von mir aus setzen Sie sich auch nur im Bademantel in einen Liegestuhl und schauen sich die Badegäste an. Sie werden sehen, dass die meisten mehr Flecken haben als Sie und mehr Speck allemal. Letzterer ist außerdem oft wahrhaft ungünstig verteilt: Seien Sie doch froh, dass Sie nicht einen Riesenbauch auf dürren Beinen balancieren müssen!“ Aber dieser Trost hilft höchstens marginal, genauso wie der Hinweis, dass es noch viel größere Warzen gibt als die eine, die gerade aufgetaucht ist. Schließlich weiß man ja nicht, ob man selbst irgendwann die allergrößte bekommt.

»Junge Mädels verschmurgeln auf der Sonnenbank«

Erstaunlicherweise sind Falten fast nie ein Thema, obgleich der Unterschied zwischen zarter, weißer Brusthaut und sonnengegerbten Armen größer nicht sein könnte. Eigentlich müsste man den jungen Mädels, die sich auf Sonnenbänken verschmurgeln lassen, mal Fotos davon zeigen. Auch Krähenfüße und andere Gesichtsfalten werden klaglos hingenommen. Selbst wenn das Leben in den Nasolabialfalten tiefe Furchen gegraben hat, ist das seltener ein Thema als Flecken und Rollen.


Männern mit lichtem Haar rate ich im Sommer zu Strohhüten, die ich ungemein kleidsamer als Basecaps finde. Aber die meisten werden diese genauso wenig aufsetzen, wie sie eine Sonnencreme verwenden würden. Frauen nehmen gern den Rat an, eine Tagescreme mit Lichtschutzfaktor zu verwenden; aber lieber hätten sie alle, ich würde ihnen verraten, wer sie auf Krankenkassenkosten von all den Hautmakeln befreit. Ich wollte noch mehr über psychologische Aspekte sinnieren, aber ich muss in die Stadt. Meine Hose kneift irgendwie am Bauch und ich glaube, sie ist etwas kurz geworden.

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