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Pharmareferenten in der Praxis – ja, bitte weiterhin!

Autor: Dr. Günter Gerhardt

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Die Pharmaindustrie gänzlich aus der Praxis verbannen, ist nicht der richtige Weg. Vielmehr muss die Zusammenarbeit neu definiert werden, meint MT-Kolumnist Dr. Günter Gerhardt.

Früher hatten einige Ärzte das Schild „Pharmaindustrie, nein danke!“ in ihrer Praxis hängen, sie wollten keinen Besuch von Pharmareferenten. Heute vermitteln uns manche dieser Pharmareferenten den Eindruck, ihrerseits die Praxis demnächst selten bis gar nicht mehr zu besuchen. Praxisbesuche, Muster und Kugelschreiber seien ausschließlich ein Marketinginstrument der Pharmaindustrie und hätten mit der Information des Arztes nichts zu tun, heißt es. Auf einem neuen Schild würde folglich – politisch gewollt – „Arzt, nein danke!“ stehen.


Gibt es in Zukunft nur noch Kontakt mit den Pharmaunternehmen via E-Mail, Internet und Skypen? Das wären allerdings keine Pharmareferenten mehr, sondern Hybrid-Mitarbeiter und Digital Marketing. Vorbei also die Zeiten, wo die netten Damen und Herren der Industrie uns besucht haben und uns mit medizinischen Neuigkeiten sowie dem einen oder anderen hilfreichen Tipp versorgt haben. Sicher, manchmal wurden wir auch gestört. Aber kam uns die Unterbrechung im stressigen Praxisalltag nicht ab und zu auch gelegen? Hat uns die Pause nicht gutgetan? Ich sehe Ihre nickenden Köpfe, liebe Kolleginnen und Kollegen.

»Unterbrechung im stressigen Alltag kam auch gelegen«

Mal Hand aufs Herz: Wer hat uns in der Regel über Innovationen auf dem Arzneimittelsektor schnell informiert und zu interessanten Fortbildungen eingeladen? Richtig, es waren die Mitarbeiter der Pharmaindustrie. Und die sollen jetzt nur noch selten oder gar nicht mehr kommen. Ich glaube, dass man hier das Kind mit dem Bade ausschüttet. Sicherlich waren Zeiten, an die sich viele noch erinnern, auch nicht okay. Wir wurden zu Veranstaltungen eingeladen mit Freizeitcharakter und auch medizinischen Referaten.


Dass diese Gepflogenheit keinen Bestand haben konnten, war vielen bewusst. Heute liegt der Schwerpunkt der Veranstaltungen auf der Fortbildung. Zu essen gibt es trotzdem etwas, wobei uns auch eine gute Kartoffelsuppe schmeckt. Und gelegentlich wird in einem Hotelbett übernachtet, wenn die Fortbildung sich über zwei Tage erstreckt.


Wenn es nach der intensiven Fortbildung am Abend beim Bier zum balintoiden Gedankenaustausch mit Kollegen und dem Pharmaaußendienst kommt, dann nutzt dieser Kummerkasten dem jeweiligen Gegenüber bei seiner künftigen Arbeit: So hört der Arzt z.B. wie sehr die Pharmareferentin ins Schleudern gerät, wenn sie trotz Termin lange warten muss. Oder sie erfährt wie sehr es Hausärzten stinkt, wenn diese z.B. nicht über dermatologische Präparate informiert werden.


Dass wir für solche Fortbildungen einen Preis bezahlen, ist in Ordnung. Doch so manchem Politiker und Journalisten reicht das nicht. Ärzteveranstaltungen sollten nur noch ohne die Unterstützung der pharmazeutischen Industrie stattfinden, weil sich diese Ausgaben auf den Arzneimittelpreis niederschlagen würden.

»Dass wir für Fortbildungen zahlen, ist in Ordnung«

Aus dieser Ethikfalle kommen wir nur raus, wenn wir für Fortbildungen und Kongresse zahlen – ohne allerdings auf die logistische Beteiligung der Industrie zu verzichten, denn das wäre der Tod der Veranstaltungen. Außerdem kommt eine zeitnahe Information zu medizinischen Neuerungen, wie sie nur von der Industrie geleistet werden kann, auch unseren Patienten zu Gute; oft werden Krankheitskosten verringert.


Keine Frage: Die Negativbeispiele vergangener Jahre sollten nicht wiederholt werden, sie haben allen Beteiligten geschadet. Dennoch wäre es falsch, den pharmazeutischen Außendienst jetzt völlig durch digitale Medien zu ersetzen. Dies ist vom Großteil der Ärzteschaft nicht gewünscht. Schnelle wie kompetente Informationen würden wegfallen.


Auch die Abgabe von Mustern total abzuschaffen ist m.E. der falsche Weg, wird dem Arzt doch damit die Möglichkeit der Erprobung genommen. Das geht natürlich nur mit Augenmaß, also ohne mit Mustern vollgestopfte Plastiktüten. Um es mit dem Besuch einer Automobilausstellung zu vergleichen: Wir können nicht gleichzeitig Volkswagen, Opel, BMW, Audi, Mercedes usw. fahren.


Fazit: Die über die Jahre gewachsene gute Zusammenarbeit der pharmazeutischen Industrie mit der Ärzteschaft muss in Teilbereichen neu definiert werden, aber auch unter den Bedingungen eines Verhaltenskodexes erhalten bleiben.

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