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Pille danach? Aufklärung davor!

Autor: Dr. Frauke Höllering

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Verhütung soll mit der rezeptfreien Pille einfacher werden. Unsere Kolumnistin ist skeptisch - sie arbeitet bei einer anonymen Beratungshotline.

Im Vorfeld wurden die semantischen Klingen heftig gekreuzt: Sollte man „die Pille danach“ aus der Rezeptpflicht nehmen? Viele Ärzte liefen Sturm. „Niemals kann man die Betroffenen am Apothekentresen ausreichend und diskret beraten!“, hieß es nicht ganz zu Unrecht. „Schon gar nicht durch ein kleines Kläppchen im Nachtdienst!“

Die Apotheker hielten dagegen: Sie wären durchaus in der Lage, eine angemessene Beratung zu gewährleisten, und gut genug geschult. Vertreter der verschiedenen Berufssparten wurden befragt. Funktionäre. Sexualberater. Vielleicht aber hätte man auch mal ein paar von uns Ärztinnen und Ärzten befragen sollen, bei denen man sich im Internet anonymen Rat holen kann – und zu denen auch ich gehöre. Denn wir wissen, mit welch erschütternder Unwissenheit Paare ihre Sexualität entdecken.

Und so antworten wir auf die absurdesten Fragen wie: „Wenn mein Partner noch Sperma an den Fingern hatte und so mein Laptop benutzt hat und ich danach die Tastatur angefasst und mich anschließend geduscht habe: Kann es dann sein, dass beim Waschen Sperma in meine Vagina gelangt ist und ich schwanger sein könnte?“ Kein Wunder, dass ich der Freigabe der „Pille danach“ äußerst skeptisch entgegensah.

Gerade mal zwei Tage nach dem Ende der Rezeptpflicht las ich folgende Frage: „Meine Partnerin und ich haben letzte Nacht Petting gemacht. Nun sind wir uns unsicher, ob sie schwanger werden kann, weil ich gekommen bin – zwar nicht in ihr. Sie ist noch Jungfrau. Aber wir haben danach unsere Geschlechtsteile aneinander gerieben. Ich habe jetzt die ‚Pille danach‘ gekauft.“ Na bravo – hätte er besser im Vorfeld die „Bravo“ gelesen!

Hier fürchtet ein junger Mann eine Jungfernzeugung ohne weihnachtliche Zusammenhänge, marschiert in die Apotheke und bekommt problem- und rezeptlos ein kleines Hormonbömbchen ausgeliefert, das er seiner Partnerin zu verabreichen plant. Bleibt zu hoffen, die erfragte ärztliche (sic!) Beratung führt dazu, dass die junge Dame sich nicht mit unnötigen Hormonen belasten muss.

Und was ist mit all jenen, die sich Mühe und Kosten einer Beratung sparen wollen und sicherheitshalber gleich zur Pillenschachtel greifen? Ich erinnere mich an einen jungen Mann, der in einem Forum sorgenvoll schrieb: „Ich habe mich auf einer öffentlichen Toilette selbst befriedigt und es kann sein, dass ein wenig Sperma auf der Brille gelandet ist. Ist es möglich, dass eine Frau von mir schwanger wird, wenn sie sich kurz danach auf die Toilette setzt?“

Werden solche von jeglichem Aufklärungsunterricht unbeeindruckten Menschen in Zukunft jede Frau in ihrer Nähe vorsorglich mit der passenden Pille versorgen? Es scheint viel zu einfach zu sein, diese zu bekommen. Einer der vielen Ratgeber, die sich in den Medien um unsere Jugend kümmern, schlug sogar vor, sich einen „kleinen Vorrat“ davon anzulegen. So hätte man immer eine „Pille danach“ zur Hand, wenn man zum Beispiel im Urlaub ihrer bedürfe.

Was sagt die Apothekerin, wenn sie diesen „kleinen Vorrat“ herausgeben soll? „Wollen Sie Vierlinge verhindern oder warum brauchen Sie vier Schachteln davon?“ Pardon, natürlich wissen Pharmazeuten, dass eine Pille auch Mehrlingsschwangerschaften verhütet. Aber ein bisschen Ironie sei mir gegönnt und die Hoffnung, dass die Indikation zur Herausgabe des Präparates doch genauer geprüft wird, als es hin und wieder den Anschein hat.

Ich gebe aber zu: Ich bin kein Freund der Verschreibungsfreiheit. Die so gelobte „schnelle Versorgung“ durch den Apotheker ist bei einem Zeitfenster von 72 Stunden überhaupt nicht nötig. In diesem Zeitraum kann man sich auch ärztlich beraten lassen und es gibt deutlich mehr von jeglichem Grundwissen über die Entstehung von Schwangerschaften unbeleckte Menschen, als man es sich vorstellen kann.

Über diese wird nun ein Hormonregen niedergehen; ich hoffe nur, dass die Leichtigkeit, mit der bei echtem Bedarf nun eine ungewollte Schwangerschaft verhütet werden kann, diesen Preis tatsächlich wert ist. So, nun habe ich mir meine Bedenken von der Seele geschrieben und kann mal wieder in das von mir betraute Forum schauen. Da steht ein neuer Beitrag:

„Gestern habe ich meinen Freund mit der Hand befriedigt und er ist gekommen. Ich habe das Sperma dann mit einem Tempo von meiner Hand gewischt. Zwei Minuten später bin ich aufs Klo gegangen und jetzt habe ich Angst, dass da noch was an meinen Händen war und ich das mit dem Klopapier in meine Scheide gerieben habe.“ Wahrscheinlich war sie schon in der Apotheke, während ich diese Kolumne schrieb ...!

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