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Praxisgemeinschaften in der Plausi-Prüfung

Gesundheitspolitik Autor: Ruth Bahners

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Cave bei der Abrechnung gegenseitiger Vertretungen in einer Praxisgemeinschaft! Die KV Westfalen-Lippe hat darauf einen besonderen Blick geworfen – rund 100 Praxen sind schon in einer Plausibilitätsprüfung.

Zwölf Quartale geht die KV nach Angaben ihres Vorsitzenden Dr. Wolfgang-Axel Dryden bei diesen Plausi-Prüfungen zurück. In einem Fall sind so Honorarrückforderungen in Höhe von zwei Millionen Euro entstanden.

Ein Arzt aus Rheda-Wiedenbrück will aufgrund fünfstelliger Regressforderungen und eines gegen ihn und einen Kollegen eingeleiteten Disziplinarverfahrens sogar seine Praxis schließen. Das beeindruckt die Körperschaft nicht. „Die KV Westfalen-Lippe lässt sich nicht durch die Drohung erpressen, die Tätigkeit als Vertragsarzt aufzugeben und damit ein Versorgungsproblem auszulösen“, kontert Dr. Dryden.

6,7 % identische Fälle bei Vertretungen sind normal

In einer Praxisgemeinschaft werde davon ausgegangen, dass es sich um Einzelpraxen mit eigenem Patientenstamm, eigenen Organisationsstrukturen und eigener Praxis-EDV handelt, erklärt der KV-Chef. Die Praxen nehmen getrennt vonei­n­ander ihren Versorgungsauftrag wahr. „Vertretungen untereinander sind möglich. Sie überschreiten den Umfang, der in räumlich getrennten Praxen vorkommt, allenfalls marginal.“ Normal sei eine Vertreterquote von 6,7 % der abgerechneten Fälle.

Die Vertretung innerhalb der Praxisgemeinschaft lohnt sich, denn Vertreterfälle und gemeinsame Patienten lösen jeweils einen neuen Behandlungsfall und ein neues Arzneimittelvolumen aus.

Ganz anders bei einer Gemeinschaftspraxis. Dort behandeln die Ärzte gemeinschaftlich alle Patienten. „Vertretungen innerhalb der Gemeinschaftspraxis lösen weder einen neuen Abrechnungsfall noch ein neues Arzneimittelvolumen aus – unabhängig davon, wie viele Ärzte der Praxis an ihrer Behandlung beteiligt sind“, so Dr. Dryden. Gemein-schaftspraxen erhalten dafür bei der Abrechnung einen Aufschlag.

Ab 60 % Patientengleichheit ist der Staatsanwalt am Zug

Auf Bundesebene sei festgeschrieben, dass eine Praxisgemeinschaft maximal 20 % gemeinsam behandelte Patienten haben dürfe. Das hält Dr. Dryden schon für „komfortabel“. Das Aufgreifkriterium in Westfalen-Lippe liege bei deutlich über 20 % gemeinsamer Fälle. Jedoch: Ab 60 % müsse die Angelegenheit der Staatsanwaltschaft übergeben werden.

Bei den Prüfungen sind der KV diverse Konstrukte aufgefallen. Da gibt es Ehegatten in Praxisgemeinschaft, bei denen die Patienten der kleineren Praxis bis zu 100 % mit Patienten der größeren identisch sind. Oder es werden taggleich – bei durch Abrechnung dokumentierter Anwesenheit des originär behandelnden Arztes – in der anderen Praxis nicht nur Versichertenkarten eingelesen, sondern auch teilweise identische Behandlungen abgerechnet. Oder der Fall einer Praxisgemeinschaft, bei der im Umkreis von 35 km am selben Tag in mehreren Praxen die Versichertenkarten derselben Patienten eingelesen wurden.

Nach Auffassung von Dr. Dryden hilft es auch nicht, wenn die auffällig gewordenen Mitglieder einer Praxisgemeinschaft sich mit einer notwendigen Vertretung ihres tatsächlich abwesenden Kollegen rechtfertigen. Das Bundessozialgericht habe eindeutig festgestellt, dass es sich auch bei einer Vertretung um Missbrauch handele, wenn hinter Abwesenheit und Vertretung eine Systematik erkennbar sei. „Das kalkulierte Spiel, dass regelhaft mal der eine, mal der andere Arzt nicht anwesend ist, und so Vertretungen deutlich über die 20-%-Grenze hinaus produziert werden, zieht nicht.“

Schaden geht zulasten aller Vertragsärzte

„Die Rechtsprechung sieht in einer deutlichen Abweichung von dieser Grenze einen Gestaltungsmissbrauch zulasten der Gesamtvergütung“, betont der KV-Chef. Der Schaden entstehe nicht den Krankenkassen, sondern den Kollegen, wenn einzelne Praxen zu tief in die Kasse greifen.

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