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Regress-Streit wegen Kleinstbeträgen frisst Zeit und Nerven

Gesundheitspolitik Autor: Anke Thomas

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Ein schlechter Scherz oder ein Skandal?, fragt sich Hausarzt Dr. Dieter Bechtold, der seit vier Jahren mit Krankenkasse und KV einen Streit um 25,96 Euro ausficht. Regressverfahren um Kleckerbeträge sind in Bayern kein Einzelfall.

Dr. Bechtolds Verfahren ist auf ein Rezept aus dem Jahre 2008 zurückzuführen. Am 16. April verordnet der Kollege seiner langjährigen Patienten ein Kontrazeptivum. Normalerweise darf dies nicht zulasten der Kasse verordnet werden.

Der Frauenarzt der Patientin, der das Mittel aufgrund einer medizinischen Indikation (schmerzhafte Erkrankung des Unterleibs) immer auf Kasse verschrieb, ist zu diesem Zeitpunkt in Urlaub. Dr. Bechtold, der eine große Landpraxis in Gaimersheim führt, verordnet also das Medikament (wie im Vertretungsfall üblich) in kleinster Menge für 25,96 Euro mit entsprechendem Hinweis auf dem Kassenrezept.

Gut ein Jahr später teilen die Prüfungsstelle und der Beschwerdeausschuss Ärzte Bayern dem Kollegen mit, dass der BKK-Landesverband Bayern die Kosten von 25,96 Euro wegen unrechtmäßiger Verordnung zurückfordert. Gegen den Bescheid legt Dr. Bechtold mit Hinweis auf die medizinische Indikation der Verordnung Widerspruch ein. Wiederum ein gutes Jahr später (am 25.6.2010) wird von der Prüfungsstelle ein Regress in Höhe von 25,96 Euro mit dreiseitiger Begründung festgesetzt.

Sprechstunde fällt wegen Gerichtstermin aus

Gegen diesen Bescheid reicht Dr. Bechtold vor dem Sozialgericht München Klage ein, da der Prüfbescheid die medizinische Begründung der Verordnung nicht gewürdigt hat.

Am 10. August 2010 beschließt der Richter am Sozialgericht München, dass zum Verfahren die KV Bayerns (vertreten durch den Vorstand), der BKK Landesverband (vertreten durch den Vorstand) und Hausarzt Dr. Bechtold geladen werden. Etwa anderthalb Jahre später, am 1. März 2012, wird das persönliche Erscheinen von Dr. Bechtold vor dem Sozialgericht angeordnet. Bei Nichterscheinen drohen 1000 Euro Ordnungsgeld.

Der Termin wird auf den 18. April 2012, 10.20 Uhr, festgesetzt. Für Dr. Bechtold heißt das: Eine Vormittagssprechstunde, in der 60 bis 70 Patienten versorgt werden, muss entfallen. Und der ganze Zauber wegen eines Regresses in Höhe von 25,96 Euro!

Dr. Bechtolds Anwältin rät, die Klage wegen Unverhältnismäßigkeit zurückzuziehen und den Regress anzunehmen – obwohl der Hausarzt gewiss recht bekommen würde. „Im Endeffekt kann ich bei diesem lächerlichen Betrag nur verlieren – egal wie die Sache ausgeht. Wen wundert es, dass unsere Jugend keinen Bock hat, in unsere Fußstapfen zu treten?“, sagt Dr. Bechtold.

Noch einer: Prüfbescheid wegen 2 Euro und 29 Cent!

Allgemeinarzt Dr. Michael Minarsch aus Neuhaus ärgert sich ebenfalls über einen Prüfbescheid der Prüfungsstelle in Nürnberg (WP Bayern). „Zeit, Geld, Ressourcen werden sinnfrei verschwendet“, kritisiert Dr. Minarsch. Immerhin musste er ein sechsseitiges Schreiben verfassen – wegen einer Regresssumme von 2,29 Euro!

Warum solch ein Aufwand für derart kleine Beträge betrieben wird, begründet Arthur Scheufler, Leiter der WP Bayern, damit, dass im Freistaat in den Prüfungsvereinbarungen keine Geringfügigkeitsgrenze festgeschrieben wurde. In anderen Bundesländern haben Kassen und KVen solch eine Grenze vereinbart. So ist die Prüfstelle verpflichtet, auch wegen noch so kleiner Beträge aktiv zu werden.

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